Genau hier beginnen die Probleme erst richtig, die vor allem die rechtmäßige Erschöpfung der Lizenzen in der EU betreffen. Sowohl die von der CRN dazu befragten Rechtsexperten, als auch Microsoft und einige Händler gehen davon aus, dass diese nur dann eintritt, wenn, wie vom EuGH formuliert, der »Erstverkauf einer Programmkopie in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber« erfolgt ist. Darauf von einigen Händlern angesprochen, argumentierte der Verkäufer laut diesen jedoch, dass hier der weitere Text der richterlichen Begründung maßgebend sei, wonach auch die Zustimmung des Rechteinhabers hierfür ausreiche. Nach Informationen der CRN hat Microsoft eine angefragte Zustimmung für die fraglichen Lizenzen jedoch abgelehnt. Diesem Argument wiederum soll der Anbieter mit den Lizenzbestimmungen von Microsoft begegnet sein, die eine Übertagung innerhalb eines Unternehmens ohne weitere Schritte automatisch erlauben.
Microsoft will dieser Ansicht nicht folgen. »Das Computerprogramm muss ursprünglich mit Zustimmung des Rechteinhabers im Gebiet der EU oder eines anderen Vertragsstaates des EWR im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht worden sein«, erklärt Thomas Mickeleit, Mitglied der Geschäftsleitung und Director of Communications bei Microsoft Deutschland, die Sichtweise seines Unternehmens gegenüber CRN. Dem pflichten auch Juristen wie die IT-Recht-Kanzlei sowie einige Gebrauchtsoftwarehändler bei. »Wir haben uns bei den Ankaufsverhandlungen der kanadischen Lizenzen juristisch beraten lassen und in der Folge Abstand von einem Kauf genommen«, bestätigt auch Boris Vöge, Vorstand des arrivierten Gebrauchtsoftwarehändlers Preo und der Handelsplattform li-x.
Das klare Ergebnis der Überprüfung lautete auch für ihn: »Die angesprochenen Lizenzen sind von Microsoft nicht in die EU oder den EWR ausgeliefert worden, die ausgewiesene "usage country“ liegt nicht in der Europäischen Union. Inwiefern das von Ihnen beschriebene Vorgehen zur Erschöpfung der Lizenzen in der EU führt und ob der Softwarehersteller einen solchen Vorgang genehmigen muss, ist zumindest fraglich.« Alleine schon aufgrund dieser Diskrepanz zwischen den verschiedenen Auslegungen der Rechtsprechung durch Mitbewerber, Hersteller und Juristen war es für die meisten Händler klar, den Ankauf der Lizenzen abzulehnen, um jedes rechtliche Risiko für ihre Kunden auszuschließen.