Dass dieses Risiko ganz real ist, zeigen die Beispiele einiger der CRN bekannten Unternehmen wie einer Klinikgruppe, die aufgrund der Argumentation des Anbieters letztlich einige dieser Lizenzen erworben und nun Probleme mit ihrer Nutzung haben. Im Zweifelsfall müssten sie sich nun bei einem Audit einer rechtlichen Auseinandersetzung stellen, die den Sachverhalt der Erschöpfung eindeutig klärt. Microsoft prüft den genauen Verbleib der 30.000 Lizenzen derzeit noch intern und kann deshalb noch keine weiteren Angaben dazu machen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Hersteller ihren Weiterverkauf und vor allem ihre Nutzung völlig unwidersprochen hinnehmen wird. Nach unseren Recherchen weisen mehrere Spuren darauf hin, dass ein erheblicher Teil der angebotenen Lizenzen beim Anbieter Relicense gelandet ist. Von der CRN darauf angesprochen, teilt das Unternehmen mit »Zu einzelnen An- und Verkäufen nehmen wir grundsätzlich keine Stellung« und verweist auf die umfangreichen eigenen Maßnahmen zur rechtlichen Überprüfung und Offenlegung der Rechtekette. Somit ist nicht klar, ob diese Hinweise belastbar sind, ein klares Dementi klingt dennoch anders.
Damit tritt ein weiteres grundsätzliches Problem im Gebrauchtsoftwaremarkt zutage. Fast jeder Händler verweist darauf, dass noch keiner seiner Kunden jemals rechtliche Probleme bei Audits gehabt haben soll. Die Realität ist jedoch eine andere, wie die CRN-Recherchen zeigen. Mehrere Lizenzspezialisten und auch Hersteller kennen durchaus Fälle, in denen die Kunden von Gebrauchtsoftwarehändlern bei Audits feststellen mussten, dass die Hersteller ihre Lizenzen nicht anerkennen. Ein typisches Beispiel dafür sind Educational- und andere vergünstigte Sonder-Lizenzen, wie Mickeleit erklärt: »Microsoft ist bekannt, dass immer wieder Educational Lizenzen bzw. Product Keys aus solchen Verträgen als vermeintlich gebrauchte „Commercial“ Lizenzen verkauft werden. Microsoft geht auch immer wieder gegen solche Angebote vor«.
Ist dieser Fall dann eingetreten, wollen sich die Kunden jedoch nicht mit Microsoft anlegen und dadurch neben empfindlichen Strafzahlungen und einem teuren Verfahren auch den Imageverlust hinnehmen, wenn der Fall öffentlich wird. Deshalb werde dann lieber schnell nachlizensiert und der Kaufpreis der problembehafteten Lizenzen als »Lehrgeld« abgeschrieben, erklärt ein Lizenzmanagement-Spezialist, der nach eigenen Angaben bereits mehrere entsprechende Fälle betreut hat, gegenüber CRN. Auch der Gebrauchtsoftware-Distributor MRM Distribution schließt aufgrund solcher Unwägbarkeiten entsprechende Deals lieber gleich kategorisch aus. »Unserer Auffassung nach wäre auch der Handel mit Education-Lizenzen rechtlich nicht zu beanstanden. Wir sehen davon allerdings ab, da wir die sehr guten Beziehungen zu den Herstellern nicht unnötig belasten möchten«, erklärt Marketing-Chef Ronny Drexel, der selbst über viele jahre bei Microsoft angestellt war, gegenüber CRN.