Szenenwechsel – München, Pre-Corona-Zeit 2019. Zehn Jahre nach dem Start feiern die Gründer William Geens und Oliver Roth die Rekordmarke von über 100 Millionen Euro Umsatz. Das Geschäft ist internationalisiert (14 Länder sind es jetzt – einschließlich Nordamerika) und wird gerade auf zwei Säulen gestellt. „Aktiv und passiv verkaufen“ nennt der geschäftsführende Gesellschafter Roth die seit drei Jahren in zwei Gesellschaften getrennten Aktivitäten der Distributionsgruppe.
Die Prianto GmbH, der „aktive“ Part, mit den wichtigsten Herstellern Micro Fokus, Suse, Quest, Solarwinds und Teamviewer unterstützt Systemhäuser mit klassischen Value Added-Services wie Technologie-Know-how, Marketing oder Presales-Unterstützung in deren Projekt- und MSP-Geschäft. Da unterscheidet sich der Münchner VAD nicht von Wettbewerbern, die VAD eben nicht mit Kistenschieben gleichsetzen. Mit rund 25 Herstellern sind Distributionsverträge geschlossen, der Fokus auf Software macht nur eine kleine Lagerhaltung nötig. Das begrenzt eine sonst mit Risiken behaftete, viel Kapital bindende Logistik. Mit am erfolgreichsten ist Prianto beim Vertrieb von Teamviewer: man sei der größte Kunden weltweit, sagt Roth. Corona hat hier der Fernwartungssoftware der Göppinger einen massiven Schub gegeben.
Die Spezialität und damit der aus der Brille von Vertriebsmanns Roth gesehene „passive“ Distributor ist die Prianto PPM. PPM steht für Projekt und Procurement Management und wird vom erfahrenen Distributionsmanager Thomas Kasper (16 Jahre Also, rund drei Jahre Tech Data und schließlich Carbonite) geleitet. Aktiver Vertrieb macht hier keinen Sinn, die Kunden kommen selbst auf den Grossisten zu. Es geht nämlich um die Beschaffung von Exoten. Sucht ein Systemhaus eine nicht gängige und nur mit erheblichem Zeit-und Kostenaufwand aufzutreibende Software oder – was seltener vorkommt - Hardware, ist die Chance groß, dass Kaspers Team der Prianto PPM das Produkt auftreiben kann. Sie greifen nämlich auf ein Netzwerk mit rund 2.500 Lieferanten zu, die Kontakt zu 7.500 Hersteller haben. Reseller bestellen per IDE oder E-Mail, die Rechnung erhalten sie von Prianto.
Exotische Lösungen
Ausschließlich der Fachhandel wird bedient, bisweilen würde auch Exotisches wie ein Lastenfahrrad geordert, sagt Oliver Roth im Gespräch mit ICT CHANNEL. „Eine Ausnahme“, versichert er und merkt an, dass das Geschäftsfeld ursprünglich „aus der Not geboren“ sei. Reseller wollte Prianto nicht einfach weiterschicken, nur weil man für ein gewünschtes Produkt keinen Rahmenvertrag mit dem entsprechenden Hersteller hatte. Und dieses Geschäft wuchs immer mehr. Die Höhe einer Order sei vor einigen Jahren mit durchschnittlich 950 Euro ermittelt worden, sagt Roth. Die Nachfrage florierte, so dass das Beschaffungsgeschäft seit 2019 in einer eigene Gesellschaft ausgegliedert ist.
Projekte verschoben - Rekordjahr 2021
Daher auch der Umsatzrückgang in der Prianto GmbH-Bilanz 2020: von 102 Millionen Euro im Vorjahr auf 81,5 Millionen. Rund acht Millionen Euro seien der neuen GmbH Prianto PPM zugerechnet worden. Bleibt aber immer noch ein Rückgang des Umsatzvolumens von 12,5 Millionen. „In 2020 haben sich wegen Corona einige große Projekte unserer Kunden verschoben“, erläutert Roth. Und die dürften in 2021 nachgeholt worden sein. Denn in der noch unveröffentlichten Bilanz 2021 stünden für die Prianto-Gruppe 117 Millionen Euro Umsatz in den Büchern, verrät Roth exklusiv ICT CHANNEL. Die aktuell rund 135 Mitarbeiter konnten ein Rekordhoch feiern.
Softwaredistribution durch Übernahme gestärkt
2022 steuern Roth und Geens weiter auf Expansionskurs. Zu Jahresanfang hat Prianto die International Software Partners GmbH (ISP*D) aus dem bayerischen Poing bei München übernommen. Das Softwaregeschäft wurde damit weiter gestärkt und der Fokus auf IT-Security ausgebaut. ISP*D bringt vor allem eine starke Partnerschaft zu Hersteller Bitdefender in den Zusammenschluss ein. „In der neuen Konstellation sehen wir sehr gute Potentiale für beide Unternehmen“, sagt Prianto-Geschäftsführer Geens. ISP*D gehörte einst zu Comparex, und seit der Übernahme dieses Systemhauses 2018 durch die Schweizer Softwareone zu diesem Global Player aus der Systemhausbranche mit seinen 8.500 Mitarbeitern.
Cloud-Marktplatz für MSPs
Der Vertrieb von Lizenzen basiert seit langem schon auf Electronic Software Distribution (ESD), aber braucht es für mehr und mehr cloudifizierte Applikationen nicht auch einen Cloud-Marktplatz für MSPs, wie ihn bereits jeder Broadliner hat? Bisher jedenfalls ist das Geschäft einer mittelständischen, Inhaber geführten Prianto auch ohne eine solche Plattform gewachsen. Doch man hat sich beim Münchner Distributor freilich schon Gedanken gemacht und nach Spezialisten für eine solche Infrastruktur umgeschaut. Roth ist nicht entgangen, dass Anbieter wie Cloudblue auch entsprechende Plattformen für den Großhandel offerieren.
Die Crux, die man bei Prianto für problematisch hält: Cloudblue gehört zu Ingram Micro. Auch wenn das Plattformgeschäft (und vor allem die Transaktionsdaten) strikt von den Broadline-Aktivitäten des Ingram Micro-Konzerns getrennt sind: Will man als Distributor und Cloudblue-Kunde einen Broadliner zu mehr Umsatz verhelfen, wo man doch im Kerngeschäft Wettbewerber sei? „Das war ein Grund von vielen, warum wird andere Wege gehen wollen“, räumt Roth gegenüber ICT CHANNEL ein. Differenzierung ist dem Manager wichtig, auch und gerade, wenn es um elektronische Beschaffungsplattformen wie Cloud-Marktplätze geht. Welche Alternative Prianto in Erwägung zieht, will Roth nicht verraten. Daran werde gearbeitet.