Deshalb bleiben Halbleiter knapp

Chip-Nachfrage übersteigt Angebot um 30 Prozent

1. März 2021, 8:48 Uhr | Lars Bube

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

»Perfekter Sturm« fegt über den Chip-Markt

Die Probleme beginnen bereits ganz am Anfang des Prozesses, wo es ausgerechnet am wichtigsten Rohstoff fehlt, Silizium. Zwar gäbe es vom dafür notwendigen Sand theoretisch mehr als genug, aber weil im Herbst in einigen wichtigen Regionen der Regen ausblieb und dadurch Wasserkraft knapp wurde, hat der führende Lieferant China Herstellung und Ausfuhr zuletzt deutlich gedrosselt. Im weiteren Verlauf fehlt es etwa am Ajinomoto-Build-up-Film (ABF), der insbesondere bei CPUs und GPUs als Überträgerschicht zwischen Chips und Platine benötig wird. Durch ein Feuer beim Hersteller Unimicron Technology in Taiwan hat sich die Verfügbarkeit seit Anfang Februar weiter verschlechtert. Mitte Februar brachte in Japan ein Erdbeben die Produktion von Shin Etsu, einem Zulieferer unter anderem von TSMC und Samsung weitgehend zum Erliegen und machte Reparaturen und Nachjustierungen an Produktionslinien notwendig. Durch solche Ereignisse werden die Möglichkeiten was und wie viel davon die Fertiger überhaupt herstellen können, weiter eingeschränkt.

Und auch die Chiphersteller selbst bleiben von solchen Ereignissen nicht verschont. Jüngstes Beispiel ist der außergewöhnliche Kälteeinbruch in Texas. Weil das Stromnetz durch die vielfache Nutzung von Klimaanlagen als Heizungen überlastet war, mussten Samsung, Infineon und NXP ihre dortigen Chip-Produktionsstraßen tagelang stilllegen. Während der Ausfall bei Infineon und NXP hauptsächlich die Automobil-Industrie trifft, stellt Samsung in Texas Chips für Intel, IBM, Tesla und Xilinix her. Damit wird auch die ITK-Branche direkt getroffen. Solches könnte sich im Laufe des Jahres, vielleicht an anderer Stelle und mit anderen Ursachen, schnell wiederholen. Dann wird es noch enger. Zudem gibt es nachgelagerte Probleme, etwa bei der Logistik, wo aufgrund des eingeschränkten Flugverkehrs und der sprunghaft gestiegenen Exporte aus Asien gen Westen Frachtkapazitäten fehlen. Wären solche Ausreißer angesichts der benötigten hohen Auslastungen in den Chips-Fabriken schon in normalen Zeiten schwierig zu meistern, sorgen sie in Zusammenwirkung mit der Pandemie für einen »perfekten Sturm«, wie Analyst Maribel Lopez gegenüber Marketwatch ausführt.

Wer hofft, diese Verknappung könne innerhalb weniger Wochen behoben werden, ist somit auf dem Holzweg. Dementsprechend sind auch die Beteuerungen mancher Hersteller, ab dem Sommer könnte sich die Liefersituation verbessern, wohl eher frommes Wunschdenken. Selbst wenn keine weiteren unvorhersehbaren Ereignisse die Wertschöpfungskette treffen. Denn dazu ist alleine schon der aktuell bestehende Rückstau zu groß. Aktuell liegen zwischen Bestellung und Lieferung im Durchschnitt schon mehr als drei Monate, Tendenz weiter steigend. Um also tatsächlich im Sommer größere Lieferungen erreichen zu können, müssten in den nächsten Wochen neue Produktionskapazitäten dafür fertiggestellt werden und ihren Betrieb aufnehmen. Das ist allerdings nicht in Sicht. Realistischer ist da schon die Schätzung, dass die Knappheit noch mindestens ein Jahr spürbar sein wird – eher noch länger, da es nach Einschätzung von J.P. Morgan alleine schon bis zu einem halben Jahr dauern wird, bis größere Produktionsmengen über die Weiterverarbeitung und Vertriebskanäle letztendlich in voller Breite bei den Kunden ankommen. Auch im bisher noch vergleichsweise glimpflich davongekommenen ITK-Bereich dürfte die Chip-Knappheit in den nächsten Monaten noch für manches Problem sorgen. Ein Blick auf die Bereiche CPUs, Grafikkarten und Spielkonsolen lässt hier nichts Gutes ahnen.

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