Dieser These wird sicherlich zustimmen, wer sich an den Übergang von der 2D- zur 3D-Grafik Anfang und Mitte der 90er-Jahre zurückerinnert. Plötzlich schienen virtuelle Welten greifbar, die Euphorie befeuerte den Gedanken, dass es wohl nie schönere Spiele geben könne. Rückblickend war das sicherlich etwas naiv, die dritte Dimension sorgte aber für eine ganz neue Beschaffenheit des Games-Marktes, die nicht zuletzt bis heute einen großen Teil des Erfolgs ausmacht.
Nach über 15 Jahren der kleinen Schritte und zaghaften Entwicklungen zeichnet sich jetzt erstmals wieder eine vergleichbare Revolution ab: Virtual Reality. Nachdem das Start-up Oculus auf der E3 2012 erstmals sein Head-Mounted Display »Rift« präsentierte, hat sich die Idee wie ein Lauffeuer im Markt verbreitet. Zahlreiche Hersteller zogen bis dato mit ähnlichen Produkten nach, Film- und Game-Studios arbeiten an entsprechenden Inhalten und auf Messen bilden sich die längsten Schlangen an den Ständen, die schon eine Vorabversion der Brillen zum Test anbieten.
Ob der Rummel nun gerechtfertigt ist oder nicht, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist aber, dass VR-Brillen einen revolutionären Schritt für die Branche darstellen. Der Spieler befindet sich im direkteren Kontakt mit dem Spiel, navigiert über Bewegungseingaben durch die virtuelle Welt und blickt sich realitätsgetreu über eine Kopfdrehung auch in der digitalen Welt um. Das starre Konzept von Bildschirm, Tastatur und Maus bekommt eine Generalüberholung. »Virtual Reality ist eine sehr vielversprechende und interessante Technologie mit sehr großem Potenzial, für die Spiele-Industrie wie für alle Unterhaltungsbranchen. Denn wer eine solche Brille ausprobiert hat, weiß: Nie zuvor wurde man so sehr in das Geschehen hineingezogen wie mit einer Virtual-Reality-Brille – das gilt für Spiele genauso wie für angepasstes Videomaterial«, bekräftigt Maximilian Schenk, Geschäftsführer des BIU, gegenüber CRN. Allerdings betont der Branchenexperte gleichzeitig, dass es sich derzeit im Wesentlichen noch um Vorserien-Geräte handelt, die nicht den finalen Produkten entsprechen. Dennoch sei das Medien- und Konsumenten-Interesse besonders groß. Eine Tatsache, die der Verband im Vorfeld der Messe Gamescom anhand einer Umfrage ermittelte. Demnach möchte zum jetzigen Zeitpunkt mehr als jeder dritte befragte Internetnutzer (35 Prozent) entsprechende VR-Brillen nutzen, obwohl die ersten Brillen-Modelle erst im Laufe der nächsten zwölf Monate auf den Markt kommen.
Ein etwas geringeres, aber nichtsdestotrotz bezeichnendes Interesse ermittelte der Bitkom. Laut dem IT-Branchenverband kann sich jeder fünfte Bundesbürger über 14 Jahren vorstellen, eine VR-Brille wie etwa Oculus Rift oder »Sony Morpheus« zu nutzen. Unter der jüngeren Generation soll dieser Anteil entsprechend höher sein. »Virtual-Reality-Brillen sind vor allem bei Gamern im Kommen, weil sie sich damit quasi mitten im Spiel bewegen«, erklärt Timm Lutter, Bereichsleiter Consumer Electronics & Digital Media beim Bitkom. Daneben sollen die VR-Brillen aber auch kommerzielle Anwendungsmöglichkeiten bieten. So könnten etwa Piloten in virtueller Umgebung die Flugzeugbedienung üben. Für Ärzte bestehe die Chance, riskante Eingriffe digital zu simulieren und Architekten sowie Städteplaner könnten damit beispielweise begehbare Entwürfe erstellen. »Gerade die in Deutschland traditionell einflussreiche Automobilbranche hat bereits vor Jahren damit begonnen, VR-Technologie beispielsweise zum Prototypenbau oder zur Produktionsplanung einzusetzen. Auch weitere Industriezweige wie der Healthcare-Sektor oder bei Großbauprojekten der Infrastruktur leistet die Technologie wertvolle Dienste«, erklärt Fabian Nappenbach, Product Director Central Europe & Turkey bei HTC. Der Smartphone-Hersteller arbeitet derzeit zusammen mit dem Spiele-Publisher Valve an einer VR-Brille namens »Vive«, die mit der Spieleplattform Steam und darüber mit einer enormen Nutzerbasis verknüpft ist. »In diesen Einsatzszenarien ergeben sich Schnittmengen, die auch für die Sofware-Branche und Systemhäuser relevant sein könnten. Im Bereich der Schulung oder Prozessplanung gibt es ein enormes Visualisierungspotenzial.«