Das Potenzial ist gewaltig, die Theorie vielversprechend: Die Arbeitswelt wird sich im Zuge der Digitalisierung in vielen Bereichen grundlegend verändern. Noch ist der Digital Workplace aber selten Realität, technische sowie strategische Hürden verzögern oder verhindern gar seine Umsetzung.
Modern Workplace
Die Arbeitswelt verändert sich, ebenso der Wettbewerbsdruck auf Unternehmen. Technologische Entwicklungen bringen zwar neue Möglichkeiten, doch müssen neue Tools erst einmal eingeführt und angenommen werden. Alain Genevaux stellte die vielfältigen Herausforderungen an die Arbeitswelt vor, denen sich auch ein Unternehmen wie Microsoft stellen muss. Bekanntermaßen hat das Unternehmen in seinem Gebäude in München für 1.200 Mitarbeiter nur etwa 500 Arbeitsplätze. Als Mitarbeiter gehe man also in ein Büro, in dem man keinen festen Arbeitsplatz oder Festanschluss habe. Doch neben diesem Konzept in räumlicher Hinsicht, habe man sich auch eine neue Art der Zusammenarbeit angeeignet. Als im Jahr 2014 Satya Nadella das Ruder der Redmonder übernahm, ließ dieser wissen, dass man als Microsoft-Mitarbeiter auch mit iPhones arbeiten können soll. Übersetzt mag das heißen: Grenzen einreißen und ganzheitlich denken. Beispiel die klassische E-Mail: „Junge Mitarbeiter arbeiten anders und möchten keine E-Mails mehr schreiben“, so Genevaux. Somit müsse die Technologie Alternativen dazu bieten. Bei Microsoft seien interne E-Mails mittlerweile verpönt und der externen Kommunikation vorbehalten. Auch Folien einer Präsentation würden nicht mehr gemailt. Stattdessen arbeiten die Mitarbeiter beispielsweise mit Microsoft Teams und dem Notizprogamm OneNote. „Früher hatte jeder tonnenweise Papier ausgedruckt“, so Genevaux. Das habe sich nun geändert. Die Mitarbeiter können standortübergreifend an Präsentationen arbeiten und jeder habe den gleichen Stand.
Der Vertrauensarbeitsplatz
Was als Kosten-Nutzen-Rechnung für die IT begann, hat sich zu einem regelrechten Transformationsprozess für Osram, der „Digital Workplace Journey“, entwickelt: Seit circa drei Jahren befindet sich der weltweit agierende Konzern Osram mit rund 27.000 Mitarbeitern nun in einem Change-Prozess, in dem die IT-Infrastruktur größtenteils von eigenen Rechenzentren in die Cloud umgezogen wurde. Neben der Umstellung auf Office 365 ist auch Microsoft Azure ein zentraler Bestandteil des ganzheitlichen Prozesses. Hennig, die bereits Erfahrungen bei anderen Großkonzernen sammeln konnte, wo vorrangig Best-of-Breed-Strategien verfolgt wurden, sieht mit der Fokussierung bei Osram auf Microsoft als Lösungspartner klare Vorteile: „Microsoft ist integrativ eindeutig besser“ lautet ihr Urteil.
Die digitale Reise begleitet Osram mit viel Kommunikation und eigenen Roadshows. So habe man Podiumsdiskussionen organisiert, um Fragen zu beantworten und eventuellen Widerständen offensiv im Dialog begegnen zu können. Als entscheidenden Schlüssel zum Erfolg sieht Hennig in diesem Zusammenhang die Nutzerakzeptanz. Daher wurde auch ein Programm ins Leben gerufen, um die digitale Reise prozessual durch Multiplikatoren, die als Evangelisten trainiert werden, zu begleiten. „Aus der Workforce in die Workforce“, so die CIO, die im Storytelling immer noch die beste Referenz sieht. Ebenso wichtig sei es, den Betriebsrat frühzeitig ins Boot zu holen und Mitarbeitern eine freie Wahl beim Arbeitsplatz zu lassen. Hennig spricht hier von einem „Vertrauensarbeitsplatz“, angelehnt an den bereits bekannten Begriff der Vertrauensarbeitszeit. Mit Blick in die Zukunft sieht die CIO nach Mobile und Cloud das Thema Artificial Intelligence. Ein „AI augmented workplace“ hätte das Potenzial, Zusammenarbeit noch effizienter zu gestalten. Mit „Cortana managed Meetings“ ließen sich beispielsweise Meetings mittels KI mitprotokollieren oder ein Buchen des Besprechungsraumes per Fingerdruck realisieren.
CD oder Audio Streaming?
Ob LP, MC oder CD – sie gehören zu den Relikten der Musikwelt, an deren Stelle heutzutage das Audio Streaming getreten ist, das mit einer bisher ungekannten Nutzerfreundlichkeit und dem Zugriff auf unzählige Titel aufwartet – von überall und jederzeit. Ähnlich verhält es sich mit dem IT-Betrieb von Unternehmen, wie Thorsten Krüger von Bechtle am Beispiel Windows 10 auf dem Digital Workplace Forum aufzeigte. Während die Bereitstellung von Microsofts Betriebssystem inklusive aller Applikationen und Geräte zuvor einem punktuellen Projekt mit hohem Aufwand glich, muss sie sich im Zeitalter der Digitalisierung zu einem stetigen Prozess weiterentwickeln. Sprich: As-a-service-Konzepte und eine zunehmende Automatisierung der Installation und Wartung verändern die Aufgabe sowie das Vorgehen des IT-Administrators grundlegend – weg von einem Wasserfallmodell, hin zu einem „agilen Servicezyklus“. Ziel sei letztendlich eine selbstlernende Organisation, in der Mitarbeiter vor allem beaufsichtigen, Systeme hingegen weitestgehend eigenständig agieren.
Neues Denken, neues Handeln
„Es gilt anzufangen“, so der Rat von Klaus Stöckert an Unternehmen in digitalen Zeiten. Denn die Digitalisierung sei nichts, was vorbeigehe. Allerdings seien einige Firmenlenker der Meinung, dass die Digitalisierung ein IT-Projekt sei. Doch es geht in starkem Maß auch darum, die Menschen mitzunehmen. So habe sich das Konsumverhalten in den letzten Jahren stark verändert. Man vergleicht im Internet und legt dann ein untreues Kundenverhalten an den Tag. „Den Stammkunden von früher gibt es nicht mehr“, so Stöckert. Zum Kit zwischen Kunden und Unternehmen könne die emotionale Bindung werden. Dabei ist auch wichtig, dass Unternehmen wissen, was ihre Kunden wollen, und auf dynamische Kundenbedürfnisse eingehen. Ein zentraler Aspekt: Die Mitarbeiter müssen selbst emotional entzündet sein und diese Einstellung dann in die Kundenbetreuung einbringen. Mitarbeiter sollten zu Mitgestaltern des Wandels gemacht werden. „Sie haben Lust dazu, aber man muss sie machen lassen.“ Wichtig dabei sei eine Vertrauenskultur, die Fehler zulasse. Dazu gehöre, dass man in einer agilen Welt immer nur einen Status habe und auch mal mit einer 70-Prozent-Lösung auf den Markt gehen sollte als gar nicht. Da viele der neuen Herausforderungen ein Umdenken im Kopf erfordern, müssen Unternehmen allerdings Geduld mitbringen: Drei bis fünf Jahre dauere es, bis ein Unternehmensleitbild nachhaltig verändert sei, so Stöckert.