Adieu, analoges Festnetz

All-IP – ungeliebte Evolution

21. Oktober 2016, 13:04 Uhr | Autor: Stefan Adelmann

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

"Stolperfallen existieren"

Marcus Hänsel, Vice President DACH bei Alcatel-Lucent Enterprise
Marcus Hänsel, Vice President DACH bei Alcatel-Lucent Enterprise: „Eine Herausforderung für uns als Hersteller ist, dass All-IP oft als Gefahr anstatt als Chance verstanden wird.“
© Alcatel-Lucent Enterprise

Der Sicherheitsaspekt steht auch heute bei IP wieder im Fokus. „Sicherheitsbedenken sind durchaus gerechtfertigt, denn durch die Umstellung auf IP wird das TK-System mit dem Internet verbunden und ist somit Risiken ausgesetzt“, sagt Marcus Hänsel, Vice President DACH bei Alcatel-Lucent Enterprise. Hans-Jürgen Jobst, Senior Product Marketing Manager bei Avaya, führt weiter aus: „Die Aufrechterhaltung der Sicherheit ist beim Übergang von getrennten Netzen für Sprache und Daten auf ein gemeinsames IP-Netzwerk natürlich von hoher Wichtigkeit. Neben den technischen sind hier auch organisatorische Randbedingungen zu beachten und die entsprechenden Stellen und Abteilungen zu involvieren.“

Die Herausforderungen, die mit dem IP-Umstieg einhergehen, sind teils enorm, stimmen zahlreiche von funkschau befragte Experten überein. „Bei allen Vorzügen von All-IP sollten sich Unternehmen im Klaren sein, dass bei einer reinen IP-Lösung auch Stolperfallen existieren“, sagt Matteo Andrea Ostermeier, Product Manager Fixed Connectivity B2B bei Telefónica. „Sie lassen sich aber mit guter Planung vermeiden.“ Diese verhindere zum Beispiel Probleme beim Routing von Sprache und Daten durch Fehlkonfiguration. Oder die Beeinträchtigung der Sprachqualität durch geringe Bandbreiten und fehlende Quality of Service für die IP-Telefonie. Denn Probleme im Zuge der Migration haben ihren Ursprung nicht immer auf Seiten der Netzbetreiber, sondern können auch beim Kunden entstehen. Vorausplanung beugt dieser Störungsquelle vor.

Derzeit verzögern aber viele Unternehmen die ersten Schritte, bauen gar darauf, dass ISDN und die entsprechenden Endgeräte im Falle der Deutschen Telekom auch über 2018 funktionieren würden. „Viele Kunden haben sich noch nicht ausreichend informiert“, berichtet Hans-Jürgen Jobst.

„Während sich bei den meisten großen Unternehmen das Thema schon auf der IT-Agenda befindet, haben insbesondere kleine und mittlere Unternehmen noch starken Nachholbedarf.“ Eine Verlängerung der Frist ist derzeit bei Mitbewerbern der Deutschen Telekom möglich. So bietet Vodafone ISDN beispielsweise noch bis 2022 an, EWE Tel bis 2019, der Provider unterstützt die Technologie jedoch ebenfalls bis 2022. „Viele unserer Kunden haben sich noch nicht intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Gerade kleinere und mittlere Geschäftskunden fühlen sich von so manchem Anbieter deutlich unter Druck gesetzt“, sagt Jan Heerlein, All-IP-Produktmanager bei EWE Tel. „Letztlich gibt es keine Alternative zum Umrüsten, da Wartungsverträge auslaufen und nicht mehr verlängert werden, die Technik in die Tage kommt und Ersatzteile nicht mehr verfügbar sind.“

Große Erwartungen

Der Wechsel sollte jedoch nicht als erzwungener Abschied wahrgenommen werden, geht er doch für Unternehmen mit enormen Chancen einher – entgegen der Befürchtung vieler Nutzer. „Eine Herausforderung für uns als Hersteller ist, dass All-IP oft als Gefahr anstatt als Chance verstanden wird“, so Marcus Hänsel. „Die Kunden müssen sich im Klaren darüber sein, dass die IP-Umstellung definitiv kommen wird und sie sich auf jeden Fall damit befassen müssen.“ Die Umstellung könne viel Geld kosten und gerade große Unternehmen und jene mit vielen Niederlassungen, die jetzt noch nicht mit der Umsetzung eines durchgehenden Konzeptes begonnen haben, würden sich mit der Umstellung bis 2018 schwer tun.

Die Migration rechtzeitig auf die Agenda setzen, scheint daher das höchste Gebot. Aber gerade der Kostenfaktor sowie das Problempotenzial dürften derzeit noch viele Geschäftsführer und ITK-Entscheider abschrecken, die Migration aktiv einzuleiten. „Manche Unternehmen versprühen nicht die totale Innovationsfreude, haben Angst vor Veränderung“, erklärt Jürgen Städing. „Es ist doch oft so: Wenn IT-Verantwortliche zum Beispiel eine TK-Lösung anfassen, die eigentlich läuft, gibt es mit Sicherheit kein Lob. Wenn aber etwas schief läuft, wendet sich das Blatt – never touch a running system.“

Sicherlich erfordert der Wechsel zu IP die Bereitschaft, sich von einem altbewährten System zu lösen und sich gleichzeitig auf eine gewisse Unsicherheit im Betrieb einzulassen. Unternehmen sollten sich jedoch nicht davon beirren lassen, stellt die Technologie doch, wie ISDN vor 30 Jahren, den nächsten Evolutionssprung dar. „Wir stehen am Beginn einer neuen Kommunikationsära“, stellt Jan Heerlein mit Blick auf die neuen Potenziale der Business-Kommunikation fest.


  1. All-IP – ungeliebte Evolution
  2. "Stolperfallen existieren"
  3. Expertenkommentar: "Effizienz und Effektivität"

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