Um die FCR so hoch wie möglich zu halten, setzt Solvemate bewusst nicht auf Chatbots – sondern auf virtuelle Agenten, die gezielte Multiple-Choice-Fragen stellen. Auch weil der Begriff „Chatbot" implizieren würde, dass man chattet. Der virtuelle Agent von Solvemate hingegen stellt eine Frage, die der Kunde mit „Ja“, „Nein“, „Weiß nicht“ beantwortet oder mit der Wahl zwischen mehreren vorgegebenen Antwortoptionen. Im Gegensatz zum NLU-Ansatz (Natural Language Understanding) mutet diese Methode zwar weniger natürlich an, doch sie bietet auch entscheidende Vorteile: Jede Interaktion hat automatisch einen höheren Informationsgehalt – schließlich muss nicht erst eine Anfrage formuliert, erkannt und interpretiert werden. Zudem ist das Klicken durch Antwortvorschläge deutlich schneller als Tippen, insbesondere auf einem Mobiltelefon. Kunden können darüber hinaus relativ passiv bleiben: Sie müssen bloß einige Fragen beantworten und bekommen dabei das Gefühl, von dem Bot bedient zu werden. Da auch kein riesiger Trainingsdatensatz notwendig ist, ist auch das Set-up für diese Art von Bot deutlich schneller.
Und das Konzept geht auf. Aktuell benutzen über 100.000 Endkunden jeden Monat virtuelle Agenten, die auf der Solvemate-Plattform trainiert worden sind. Das Start-up mit Sitz in Berlin-Kreuzberg hat gerade eine große Wachstumsfinanzierung erhalten und aktuell 30 Mitarbeiter mit 17 Nationalitäten. Tendenz steigend. Damit befindet man sich in einer guten Ausgangsposition. Bis zum Ende des Jahres will Solvemate die Umsätze verdreifachen. Auf lange Sicht jedoch gesehen verfolgt Pfannmöller ein noch viel ambitionierteres Ziel; seinen „Nordstern“ quasi, an dem er sich orientiert: „Wir wollen, dass eine Million Menschen am Tag auf Solvemate zurückgreifen. So wie man keine klassischen Straßenpläne mehr, sondern Google Maps benutzt – so haben wir den Wunsch, dass unsere Lösung eines Tages die Welt ein Stück besser machen wird.“
Voraussetzung für den Einsatz der Lösung ist, dass man ein Call Center mit mindestens zehn Supportagenten hat, um auch signifikant viele Anfragen vorzuweisen. Einerseits natürlich, weil man seinen Kunden gerne 24-Stunden-Support bieten möchte – unabhängig von Tageszeiten und Sonn- oder Feiertagen –, andererseits auch um Kosten zu sparen. Grundsätzlich bedient Solvemate dabei jedes erdenkliche Frontend, jede Schnittstelle. Pfannmöller: „Unsere Kunden können das Chat Widget, also dieses kleine Chat Beacon mit sechs Zeilen Code, auf ihre Webseite tun. Sie können es aber auch in ihre iOS-App integrieren. Faktisch können sie es an jede gewünschte Stelle platzieren. Wir sagen, wir sind ‚Frontend-agnostisch‘.“ Die meisten Kunden bringen den virtuellen Agenten allerdings zuerst auf die Webseite, da diese mit der Kontaktseite oft die erste Anlaufstelle für den Endkunden ist. Hat ein Kunde sich einmal für Solvemate entschieden, läuft alles sehr schnell ab: „Man muss etwa ein bis zwei Tage Aufwand in die Konfiguration der Software stecken, das heißt die FAQs eintrainieren. Gegebenenfalls will man den Virtual Agent auch personalisieren, indem man ihm ein Gesicht oder einen Namen gibt. Zum Schluss sind es wie gesagt sechs Zeilen Code, die jeder Programmierer innerhalb einer halben Stunde auf die Webseite bringen kann. Das lässt sich bei Bedarf noch an die eigene Corporate Identity anpassen – und das war’s im Grunde“, so Pfannmöller. „Unser schnellster Kunde ist in acht Tagen live gegangen.“
Die Kunden des Start-ups stammen vorrangig aus den Branchen E-Commerce, Banking (zum Beispiel die Berliner Sparkasse) und Technologie – im Grunde ist die Lösung jedoch branchenunabhängig. Als englischsprachige Firma hat Solvemate internationale Kunden, konzentriert sich im aktiven Vertrieb derzeit allerdings verstärkt auf die DACH-Region und Europa. Zusätzlich ist man dabei, Partnerschaften, zum Beispiel mit größeren Call-Center-Betreibern, auszubauen, die die Lösung wiederum weiter an ihre Kunden vertreiben. Daneben sind Technologiepartner ein wichtiger Teil des Partner-Ökosystems: Solvemate setzt hier auf große CRM-System-Anbieter wie Salesforce oder auch Zendesk, weil die Lösung dorthin integriert wird. Pfannmöller: „Der Kundensupport ist nicht nur, was der Kunde will, sondern er gibt auch Informationen und startet Prozesse. Wir brauchen daher die Anbindung an die Datenbank des Kunden. Ohne Daten ist ein Virtual Agent einfach nicht so gut – er funktioniert zwar, aber er ist nicht so gut.“
Gestaffeltes Lizenzmodell
Das Geschäftsmodell der B2B2C-Firma fußt auf einem Software-as-a-Service-Lizenzmodell. Typischerweise startet man mit 1.000, 5.000 oder 10.000 Nutzungen pro Monat – abhängig davon, wie groß das Call Center ist. Dementsprechend staffelt sich auch das Lizenzmodell: Die preiswerteste Option „Team“ mit 1.000 Conversations/Monat kostet 600 Euro. Für 1.800 Euro inklusive 3.000 Conversations im Monat gibt es die „Professional“-Version und 3.600 Euro samt 7.000 Conversations im Monat kostet die „Growth“-Variante. Wobei Conversations definiert sind als „weder der Nutzer noch der Algorithmus haben abgebrochen und dem Endkonsumenten wurde eine Lösung vorgeschlagen“. Für Key-Account-Kunden, die noch mehr Leistungen in Anspruch nehmen wollen, hat Solvemate professionelle Key Account Manager an Bord. Sie beraten, wie das Projekt am besten strukturiert wird und teilen sozusagen Best Practices von anderen Kunden. Auch sogenannten Proof of Concepts können bei Bedarf für Kunden erstellt werden. „Manche größere Kunden wollen das – dann schicken wir für einen begrenzten Zeitraum, zum Beispiel drei Monate, jemanden vor Ort, der berät und unterstützt. Das mache ich jedoch im Grunde nicht so gerne, weil das nicht unser Kerngeschäft ist“, erklärt Pfannmöller, „aber wir bieten es an, wenn unsere Kunden das wünschen. Auf der anderen Seite ist unser Produkt nicht so erklärungsbedürftig. Wenn man es einmal verstanden hat, kann man direkt mit der Lizenz loslegen.“