Die goldene Regel bei IoT-Projekten heißt: Kundenbedarf und Geschäftsnutzen immer fest im Blick behalten. Digitale Überflieger wie etwa Amazon und Uber haben neue Standards für den Einzelhandel und Fahrgastunternehmen gesetzt. Sie sind hauptsächlich deshalb so erfolgreich, weil sie die Bedürfnisse ihrer Kunden mit digitalen und skalierbaren Services passgenau bedienen. Die zentrale Frage muss deshalb sein: Was hilft dem Kunden weiter und welche Veränderung würde sein Leben merklich erleichtern? Um die wichtigen Themen herauszuarbeiten und Projekte ins Leben zu rufen, die aus der Praxis kommen und einen hohen Nutzwert bringen, sollte das Projektteam interdisziplinär aufgebaut sein. So können sowohl die verschiedenen Fachbereiche als auch die Technologieabteilung ihre Ideen und ihr Know-how einbringen.
Als Ausgangspunkt empfiehlt sich ein Discovery-Workshop, in dem die Mitarbeiter Ideen für digitale Potenziale sammeln. Dazu müssen sie sich Fragen stellen wie: „Können wir unsere Produkte durch digitale Funktionen aufwerten, unsere Services smart machen? Können wir eigene Prozesse optimieren?“
Die Beteiligten generieren Ansatzpunkte und diskutieren, welche davon am vielversprechendsten sind. Externe Berater leisten Unterstützung und bringen ihr spezialisiertes IoT-Know-how ein – vom Einordnen erster Ideen über die Planung und Organisation eines Pilotprojekts bis hin zur technischen Umsetzung eines Prototypen, der anschließend skaliert werden kann. Sobald eine Auswahl an aussichtsreichen Ansätzen erfolgt ist, gilt es, diese zu priorisieren, davon ein bis zwei vielversprechende Projekte festzulegen und Quick Wins für deren Umsetzung zu identifizieren. Erst zu diesem Zeitpunkt definiert das Team Ziele für die Verprobung der Projekte und nimmt im Anschluss die Entwicklung der Protoypen in Angriff.
Agilität ist Trumpf
Es empfiehlt sich, agile Projektmanagement-Methoden wie etwa Scrum anzuwenden. Sie ermöglichen einerseits Flexibilität, andererseits aber ein sehr strukturiertes, zielgerichtetes Vorgehen. Projektteams arbeiten in kurzen Sprints und kleinen Iterationen. Jede Iteration hat ein fertiges, geschlossenes Ergebnis, das sauber gebaut, getestet und dokumentiert ist. So entsteht innerhalb von kurzer Zeit ein funktionierender Prototyp. Oft hört man die Empfehlung, Unternehmen sollten sich an Start-ups orientieren und von ihnen lernen. Es wäre jedoch falsch, die Methoden von Start-ups zu verklären. Fakt ist: Start-ups haben wenig Ressourcen, sodass ihnen keine andere Wahl bleibt, als extrem pragmatisch und erfinderisch zu sein. Aber sie haben auch kurze Kommunikationswege und interdisziplinäre Teams, was für IoT-Projekte sehr wichtig ist. Diese Vorzüge gilt es also, sich zu eigen zu machen. Daneben können etablierte Unternehmen auf eine breite Mitarbeiterbasis zurückgreifen, verfügen über ein Netzwerk, Erfahrung und gewachsenes Know-how. All dies sollten sie ausspielen – und dann wie ein Start-up sehr kundenorientiert und zielgerichtet agieren.
Nicht auf die lange Bank schieben
Die meisten Unternehmen befinden sich gerade in der Planungs- und Entwicklungsphase von IoT-Projekten. Wer sich nicht abhängen lassen will, sollte jetzt einsteigen. Die größte Gefahr besteht darin, sich selbst durch übertriebene Planung und Perfektionismus auszubremsen. Es ist besser, erst einmal nur ein 80- oder sogar nur 50-prozentiges Ergebnis zu realisieren und schnell etwas Vorzeigbares zu erreichen. Dieses kann dann gemeinsam mit Anwendern validiert, verbessert und zum vollen Erfolg geführt werden. Wer klein startet und das einsetzt, was er zur Verfügung hat, kann schon mit überschaubarem Budget innerhalb kurzer Zeit gute Ergebnisse erzielen – für sich und seine Kunden.
Bernhard Kirchmair ist Chief Digital Officer bei Vinci Energies Deutschland