Um das E-Government weiter voranzutreiben, ist der nächste logische Schritt nun die komplette Digitalisierung der hoheitlichen Dokumente, sprich: ihre Virtualisierung für Mobilgeräte wie Smartphones und Tablets. Um auch diese virtuellen Dokumente abzusichern, müssen zum einen die bereits für die Chips existierenden Verfahren auf die Mobilgeräte übertragen werden, was technisch unproblematisch ist. Darüber hinaus sind aber zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich.
So wird zur Darstellung der Dokumente auf den Mobilgeräten eine App benötigt, die es zu schützen gilt. Dazu lassen sich unter anderem die Möglichkeiten mobiler Betriebssysteme nutzen, Apps im Arbeitsspeicher der Geräte in einem abgesicherten Raum abgeschottet ablaufen zu lassen. Zudem muss die App selbstverständlich so wie alle andern Anwendungen auf den Geräten auch mit Sicherheitsmaßnahmen wie Antiviren-Software geschützt werden. Mit modernen biometrischen Verfahren wie Fingerabdruck-, Gesichts- oder Stimmerkennung lässt sich außerdem gewährleisten, dass nur die Besitzer der Mobilgeräte die App benutzen können.
Darüber hinaus muss zusätzlich noch die Lücke geschlossen werden, die durch den Wegfall der physischen Sicherheitselemente entsteht. Reisepässe, Ausweise und Führerscheine enthalten zahlreiche physische Features wie eine reliefartig fühlbare Oberfläche, holographische Porträts oder Wasserzeichen. Sie schützen die Dokumente vor Fälschungen und demonstrieren, dass sie auch wirklich von einer Behörde ausgestellt wurden. Für einen adäquaten Ersatz können beispielsweise Verfahren sorgen, bei denen die Daten der Bürger nicht auf den Mobilgeräten, sondern auf den Servern der Behörden gespeichert werden. Die Apps enthalten dann einen QR-Code, der es den Behörden ermöglicht, die zugehörigen Daten in Echtzeit abzurufen. Da sich diese Daten in einer geschützten zentralen Datenbank und nicht auf den Mobilgeräten der Bürger befinden, können sie nicht manipuliert werden. Erste Projekte zur Virtualisierung hoheitlicher Dokumente gibt es bereits. So hat beispielsweise die Republik Kosovo 2018 den ersten landesweiten virtuellen Führerschein der Welt implementiert. Die Autofahrer des Balkanstaats können ihren Führerschein auf einer abgesicherten Smartphone-App anzeigen lassen, die Behörden können diesen dann ebenfalls mit einer App überprüfen. Kommt es zu einer Verkehrskontrolle, zeigt der Fahrer den auf seinem Mobilgerät generierten QR-Code seines virtuellen Führerscheins vor, der Beamte scannt ihn ab und prüft dann via sicherer SSL-Verbindung die Daten, die über den Autofahrer im Backend-System der kosovarischen Behörden hinterlegt sind.
Keine Frage des Ob, sondern des Wann
Trotz solcher Leuchtturmprojekte ist aber davon auszugehen, dass die teildigitalisierten physischen Dokumente weltweit noch für längere Zeit nicht ausgedient haben. Es wird vermutlich einzelne Ausreißer geben, und zwar werden insbesondere Länder, die noch keine teildigitalisierten Dokumente haben, diesen Schritt einfach überspringen und direkt auf virtuelle Dokumente umsteigen; insgesamt ist aber zu erwarten, dass die beiden Welten für mindestens noch zehn Jahre eine Koexistenz führen werden. Die große Herausforderung ist nämlich nicht nur, die Dokumente zu virtualisieren, sondern auch landesweit die komplette IT-Infrastruktur aufzubauen, die es für ihre effektive Nutzung braucht. Dennoch: Die Vorteile von virtuellen Dokumenten werden sich immer mehr herauskristallisieren und auch ihre Sicherheitsmechanismen immer weiter geschärft werden. Die Verlagerung hin zu virtuellen Dokumenten ist deshalb keine Frage des Ob, sondern nur noch des Wann.
Und Deutschland? Die Bundesrepublik hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Das sogenannte Online-Zugangsgesetz sieht vor, dass Bund, Länder und Kommunen bis Ende 2022 sämtliche Verwaltungsleistungen auch digital über Verwaltungsportale anbieten müssen. Das Gesetz verlangt dazu die Implementierung eines Bundesportals, das zentrale Benutzerkonten als Identifizierungskomponente enthält. Zudem sind Bund und Länder angehalten, ihre Verwaltungsportale zu einem gemeinsamen Portalverbund zu verknüpfen. Dieses Vorhaben, das von milliardenschweren Investitionen unterstützt wird, soll die Digitalisierung der gesamten Verwaltung in Deutschland im Sinne eines zukunftsfähigen E-Governments weiter vorantreiben – und könnte damit auch der Virtualisierung hoheitlicher Dokumente einen gehörigen Schub verleihen.
Michael Edwards ist Director Business Development & Technical Sales E-Government bei Veridos