Wie die Digitalisierung zeigt, dass der Kunde doch nicht König ist
Tatsache ist, dass nun überall der Digitalisierungsbedarf der Arbeitsprozesse erkannt wird. Aber kaum jemand hat jüngst wirklich digitalisiert. Um durch die Blume zu sprechen: Viele Betriebe haben gerade einmal das erste Wasser vergossen. Zwar wachsen tatsächlich sogar Pflänzchen – in den meisten Fällen heißen sie Floris Chatboteae und werden als Erfolg gefeiert – aber Digitalisierung ist das noch lange nicht. Und gerade im Marketing wir deutlich, dass dem guten Gärtner die wahre Arbeit noch bevorsteht, um das volle Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen.
Sogar Studien haben untersucht, dass die Umsetzung der Digitalisierung besser sein könnte. Zumindest aus der Sicht der Kunden. So zeigt eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Qualität, dass 59 Prozent der Deutschen der Meinung sind, dass die Digitalisierung den Kundenservice nicht nur zum Positiven verändert hat. Der Einsatz von beispielsweise Chatbots ist nicht wirklich das, was sich Verbraucher unter Digitalisierung im Kundenservice vorstellen. Denn diese legen den Fokus viel zu sehr auf den Verkauf , als auf einen Lösungsansatz für den Kunden.
Digitalisierung ist nun mal nicht nur die Einführung einer Technologie. Das erste Gießen war natürlich dennoch nicht vergebens. Neben schönen Blumen sprießt dann allerdings auch ein Gedanke: „Na super, die Chatbots sind eingeführt und Vertriebler sind mit Tablets ausgestattet. Ist das wirklich schon alles?“ Natürlich nicht! Von den zahlreichen technischen Möglichkeiten abgesehen ist vor allem prozessual, strategisch und kommunikativ noch viel Luft nach oben.
Missionär
Marc Andreessen hat bereits vor neun Jahren darauf hingewiesen: „Software is eating the world“! Um es also direkt und nicht durch die Blume zu sagen: Ganz konkret ist spätestens jetzt der Zeitpunkt einer fundamentalen Neuausrichtung gekommen. In der Praxis trennt ein Blick auf Unternehmen diese jedoch in zwei Lager: Die, die Software benutzen und die, die durch Software definiert sind.
Kaum ein Unternehmen kann den ersten Fall abstreiten. Schließlich wird Software immer irgendwo eingesetzt, um das Arbeiten effektiver, attraktiver oder schneller zu machen. Von Microsoft Office über Teams, Zoom und Slack bis hin zu SAP. Der zweite Fall ist dagegen seltener anzutreffen und wenn, dann sind solche Unternehmen häufig die erfolgreichen Big-Player: Amazon, Apple, Microsoft oder Sixt (ja, das ist mein Ernst).
Natürlich verkaufen auch alle anderen Unternehmen ihre Produkte. Die Frage ist dabei, wie sie verkauft werden beziehungsweise welche Angebote aufgrund von verfügbaren Daten bereitgestellt werden. Ergo geht es darum, wie Kundeninteresse, Produkt und Kauf vernetzt sind. Ist die Customer Experience so gut wie möglich gewährleistet? Oder wird nicht eigentlich versucht, dem Kunden einzureden, was er kaufen will – Pardon: was er glauben soll, was ihm gefällt?
Visionär
An dieser Stelle sei ein Ausblick erlaubt: Wer die Digitalisierung nicht nutzt, um seine Marketingstrategie zu aktualisieren, verpasst die Chance, sich vom Mitbewerb hervorzuheben und wird letztlich zunehmend Marge verlieren. Denn: Eigentlich sollte der Kunde (oder Partner) spätestens seit Big Data im Mittelpunkt stehen. Das liest sich immerhin auch so gut auf der Eigenwerbungen, dem Unternehmensstrategiepapier und jedem Marketingkonzept. Gerade aber die bisherige Nutzung der Digitalisierung enttarnt, dass dem nicht so ist. Dabei sollte die Reise aber genau dort hingehen: Zu einer kompromisslosen Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden.
Für oben genannte Softwarebenutzer scheint das zunächst rein technisch nicht umsetzbar. Allein Datenbankunterscheidungen für Kunden, Interessenten, Vertrieb und Partner treiben Schweiß auf die Stirn. Die Scheu und Unlust wird erklärt durch die Unmöglichkeit der Zentrierung. Richtig ist, dass bei dieser Denkweise die Zentrierung tatsächlich in der Vergangenheit lebt. Damit ist das Bedürfnis der Kunden per se veraltet. Die Frage ist also: If Software eats the world, who feeds it?
Die gute Nachricht: Die kompromisslose Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden ist möglich. Die bessere: Der Erfolg ist nicht für die großen Goliats reserviert. Marketing entwickelt sich weiter, wer umdenken kann, muss sich nicht fürchten. Damit zukünftige Markenerlebnisse gelingen, müssen aktuelle Kundenbedürfnisse erkannt und die passende Lösung kundenindividuell in Echtzeit ausgespielt werden. Aus einem kundenfokussierten Produkt muss ein situatives Lösungsportfolio werden, das Produkt oder die Dienstleistung kann dabei den Aggregatzustand verlassen. Ein Beispiel hierfür sind gute Autovermieter: Hier wird nicht mehr das Produkt „Autovermietung“ verkauft, sondern die Lösung „Mobilität“.
Der “grüne” Daumen
Wichtig ist ein Serviceansatz, der die Produktstrategie prägt. Natürlich: Es ist nicht alles Gold was sprießt. Umdenken allein verkauft nicht mehr Einheiten. Daneben ist auch eine gewisse Technologie erforderlich. Bevor die große Schnappatmung jetzt einsetzt, sind hier jedoch zwei Dinge sofort anzusprechen: Benötigte Daten sind bereits im Haus. Selbst Software nutzende Unternehmen haben durch CRM, Big Data und Co. bereits genügend Kundeninformationen gesammelt. Sie nutzen Sie nur nicht. Oder können die Informationen wie oben gesagt technisch nicht verbinden. Womit wir beim zweiten Punkt wären: Kein Unternehmen muss alle bisherigen Software-Lösungen wegschmeißen und in neue Technologien investieren. Diese sind als Open-Source-Varianten verfügbar.
Technische Lösungen und moderne Mindsets können dann Unternehmen in das nächste Zeitalter der Digitalisierung katapultieren – und damit ihre gesamte Wertschöpfungskette. Dabei gilt: Egal welche Lösung mir in meiner Digitalstrategie und meiner Mission hilft, den Kunden in den Mittelpunkt zu rücken, genau das sollte das Thema sein – Customer Centricity.
Es liegt dabei an jedem Unternehmen, sich für mehr sinnvolle Digitalisierung zu entscheiden. Auch wenn das Arbeit und weitere Investitionen bedeutet: von aussähen über pflegen bis Unkraut jäten und Schädlinge bekämpfen. Die Möglichkeiten sind am Ende groß. Unternehmen können stolzer Gärtner sein oder, wenn sie mögen, zusätzlich auch Blumenverkäufer. Ich gieße, also bin ich!