Doch an dieser Stelle kommt noch eine dritte Partei ins Spiel, der mit den neuen Bestimmungen ein Stück weit die Geschäftsgrundlage geraubt wird: Der Gebrauchtsoftwarehandel, der zuletzt einen nicht unerheblichen Teil seiner Microsoft-Lizenzen zum Weiterverkauf von Unternehmen bekam, die auf Cloud-Versionen umgestiegen sind. Möglicherweise hat der Gebrauchtsoftwarehandel Microsoft durch die von einigen praktizierte, und auch von Microsoft empfohlene, Offenlegung der Rechteketten beim Weiterverkauf sogar erst selbst darauf gebracht, woher die gebrauchten Lizenzen stammen.
Während Microsoft diesen Teil der Auswirkungen in seinen offiziellen Angaben nicht erwähnt, vermuten die betroffenen Händler, ihr Geschäft sei der wahre Grund für die Änderung. »Microsoft beschränkt damit also durch die Hintertür das gesetzlich verankerte Recht seiner Kunden, ihre nicht mehr benötigten Softwarelizenzen zu veräußern – und nimmt darüber hinaus anderen Kunden die Möglichkeit, diese Software günstig zu erwerben. Das bedeutet für sowohl für den Kunden als auch den Gebrauchtsoftware-Markt insgesamt einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden«, fasst Andreas E. Thyen, Präsident des Verwaltungsrats der Lizenzdirekt, die Situation aus seiner Sicht zusammen. Thyen hat deshalb den Mitbewerb und die Kunden sowie Medien und Politik dazu aufgerufen, sich gemeinsam gegen die Änderung zu stellen.
Wie komplex das Thema ist, zeigt sich jedoch daran, dass es noch viele weitere denkbare Aspekte an Microsofts Vorgehen gibt – selbst für den Gebrauchtmarkt. So könnte es sich etwa – ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt – dazu eignen, einen ganz anderen Teil des Gebrauchtsoftwaremarktes auszutrocknen, der auch den seriösen Anbietern in den letzten Jahren mehrfach Probleme bereitet hat: Den Zufluss und rechtlich äußerst zweifelhaften Weiterverkauf gebrauchter Software von außerhalb der EU. Als Beispielhaft kann hier der Fall von rund 30.000 ursprünglich aus Kanada und Australien stammenden Office-Lizenzen gesehen werden, die 2017 zunächst auf eine europäische Dependance übertragen und von dieser anschließend an einen hiesigen Gebrauchtsoftwarehändler weiterveräußert wurden. Künftig würden internationale Konzerne ihre Altlizenzen in so einem Fall wohl eher dazu nutzen, sich den From-SA-Rabatt zu sichern, als sie zu verschieben und sie zu – wegen der rechtlichen Unsicherheiten – vergleichsweise niedrigen Gebraucht-Preisen zu verkaufen. Sollten dann auch noch europäische Gerichte den neuen Teil von Microsofts Produktbestimmungen aufgrund des Erschöpfungsgrundsatzes für den hiesigen Markt kippen, könnte daraus, wenn auch sicherlich mit vielen Konjunktiven versehen, zumindest in diesem Punkt sogar letztendlich ein Vorteil für den seriösen Gebrauchtmarkt entstehen.