Neupositionierungen im Zwischenhandel

Broadline-Distribution im Umbau

9. April 2015, 0:00 Uhr | Samba Schulte

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Banger Blick auf Amazon & Co

Ernesto Schmutter
Ernesto Schmutter
© Ingram Micro

Dies ist eine völlig neue Perspektive, weil die Broadliner ihren Erfolg und ihr Selbstverständnis in der Vergangenheit zu einem wesentlichen Teil auch auf ihrem Erfolg im Zwischenhandel für das Consumer-Business begründeten. Das Consumer-Business aber hat mittlerweile für die Distributoren eine völlig veränderte Bedeutung. Die klassische Großhandelsleistung wird dort zwar nach wie vor gebraucht, aber macht sich kaum noch bezahlt. Die Absatzzahlen bei den Distributoren steigen so schnell wie Preise und Margen sinken. Die Folge: Insbesondere im Consumer-orientierten Handel und Kleinkunden-Segment liefern Etailer Commodity-Artikel zu selbst für Distributoren kaum noch darstellbaren Preisen. Die Distributoren beliefern nach wie vor Retail und Etail, allerdings sind sie in solche Geschäfte meist nur noch als Logistikdienstleister involviert. Das Fee-basierte Modell sichert den Grossisten in einem Markt, in welchem der Fachvertrieb kaum noch gebraucht wird, zumindest ihren Anteil. Aber Fulfillment können andere auch. Und die Distribution beobachtet mit bangem Blick die Etail-Kundschaft: »Wenn Amazon mit dem Distributionsgeschäft einmal wirklich ernst macht, haben wir alle ein Problem«, formuliert ein Distributionsgeschäftsführer die Branchenängste.

Die großen Broadline-Distributoren im deutschen Markt, Also, Ingram Micro und Tech Data, haben sich in den vergangenen Jahren folgerichtig neu orientiert und umorganisiert. Die grundsätzliche Stoßrichtung zielt bei allen Distributionsriesen darauf, ihr Geschäft zu diversifizieren und frühzeitig neue Geschäftsfelder zu besetzen. So hat Ingram Micro zunächst vor allem seine Kompetenzen im margenträchtigen Value-Segment aufgebaut und schließlich zunehmend auch spezialisierte Lösungsbereiche besetzt. »Wir erzielen in den Value-Bereichen zweistellige Wachstumsraten«, berichtet Deutschlandchef Ernesto Schmutter. Die neu aufgenommenen Geschäftsbereiche, beispielsweise im Segment Energy, entwickelten sich ebenfalls gut. Schmutter kündigt an, man werde weiterhin in den Ausbau neuer Geschäftsbereiche investieren und Trendthemen frühzeitig besetzen. Im Volume-Segment wächst der Marktführer immerhin einstellig, wie Schmutter betont: »Wir können und wollen beides.«

Tech Data-Chef Michael Dressen sah sich nach Amtsantritt in München quasi vor einer umgekehrten Herausforderung: Der Tech Data-Konzern hat mit Azlan einen marktführenden VAD etabliert und agiert darüber hinaus mit erfolgreichen Nischendistributionsbereichen, wie etwa Datech für das CAD-Segment. »Im Broadline-Bereich stehen wir aber noch nicht dort, wo wir sein wollen«, räumt Dressen ein. Dabei habe sein Unternehmen dort Marktanteile gewonnen und einen gehörigen Umsatzsprung gemacht. Wachstumspotenziale konstatiert Dressen im Volume-Bereich indessen nur, weil sich Tech Data hier klar in der Aufholjagd befindet. Im Übrigen ist der Distributionsprofi überzeugt: »Heute ist unser Ergebnis noch zu 99 Prozent von traditionellem Geschäft bestimmt, aber bereits in fünf Jahren wird der Anteil nur noch bei 70 Prozent liegen«, prophezeit Dressen. »30 Prozent mit völlig neuen Geschäftsfeldern, völlig veränderten Value Propositions – das klingt vielleicht nicht nach viel, ist aber eine völlig neue Perspektive«, meint er.


  1. Broadline-Distribution im Umbau
  2. Banger Blick auf Amazon & Co
  3. Vom Box-Mover zum Multichannel Service Provider
  4. Die Broadliner-Wolken kommen

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