Oftmals ist vom Arbeitsplatz der Zukunft die Rede oder weitgehend sinnfrei von »Arbeit 4.0«. Doch was genau verbirgt sich dahinter? Ralf Greis, CEO der Compusafe AG, formuliert es so: »Arbeit und das Arbeitsangebot werden sich nicht synchron zur Arbeitsnachfrage entwickeln. Arbeit wird sich mehr und mehr fragmentieren und flexibilisieren, es wird kein konstantes Arbeitsangebot mehr geben. Notwendige Ressourcen und Kompetenzen werden in Teilen der Arbeitswelt zunächst längere Zeit nicht mehr in der notwendigen Menge zur Verfügung stehen.« Eine nicht geringe Zahl von Berufsbildern werde durch Digitalisierung, Vernetzung und Automatisierung potenziell verschwinden. »Die Aussage, dass dadurch eine gleiche Anzahl neuer Jobs entsteht, ist sehr hypothetisch und auch etwas verträumt«, meint Greis.
Frank Engelhardt, Vice President Enterprise Strategy DACH bei Salesforce, sieht das weniger pessimistisch und bringt ein Beispiel: »Ein LKW-Fahrer könnte in wenigen Jahren jede Nacht zuhause schlafen. Das Fahrzeug könnte autonom fahren, während der Fahrer anstatt hinter dem Steuer im Logistikzentrum vor Monitoren und Steuereinheiten Platz nimmt, von wo aus er mehrere LKW pro Tag auf die Reise schickt und aus der Ferne überwacht.« So würden auf ähnliche Art viele Arbeitsplätze nicht verschwinden, sondern durch neue ersetzt werden.
Ralf Reich, Head of Continental Europe bei Mindtree, beleuchtet einen anderen Aspekt: »Die meisten Unternehmen nutzen moderne Technologien bis jetzt nur nach außen, die Wenigsten wenden sie auch für interne Prozesse an. Dabei sollten Unternehmen Technologie nutzen, um die Arbeit ihrer Angestellten zu erleichtern und unnötige Aufgaben zu beseitigen.« Effizienz sei nichts anderes, als die Fähigkeit, Transformationsprozesse zu erkennen, zu integrieren und schließlich eine entscheidende Anpassung zu erreichen.
Andererseits kann man argumentieren, dass die Digitalisierung des Arbeitsplatzes bereits vollständig erfolgt ist. Dirk Pfefferle, Geschäftsführer und Area Vice President, Central and Eastern Europe bei Citrix Systems sieht das auch so: »Das Technik-Thema ist für mich abgeschlossen.« Wichtig sei, wie der Mensch damit umgehe, und wie Führungskräfte die Mitarbeiter in die Lage veretzten, produktiv zu arbeiten. Die vieldiskutierte Anwesenheitskultur stellt Pfefferle auch in Frage. Zeitliche und räumliche Flexibilität sind auch eine Art Wertschätzung der Mitarbeiter und setzt das Vortrauen voraus, dass diese Ihre Arbeit verantwortungsvoll – auch sich selbst gegenüber – und zuverlässig erledigen. Unternehmen, die ihre E-Mail-Server um 19 Uhr abschalten, haben dieses Vertrauen nicht. Pfefferle verweist auf den gesetzlichen Rahmen, der durch Arbeitsrecht und Berufsgenossenschaften definiert und nicht trivial einzuhalten sei. Der Geschäftsführer eines Unternehmens müsse wissen, ob etwa ein Arbeitsplatz im Home Office den Anforderungen genügt, ist er doch dafür verantwortlich. Remote-Arbeit erfordert gut qualifizierte Führungskräfte, nicht nur fachlich sondern auch in der Menschenführung. »50 Prozent der Führungskräfte sind völlig überfordert«, bilanziert Pfefferle.
Der Effekt etwa vom Einsatz digitaler Arbeitsmittel ermögliche den Unternehmen mehr Flexibilisierung und Dezentralisierung bei der Umsetzung von Aufgaben, lenke aber zwangsläufig den Blick auf die zugrundeliegende Arbeitsorganisation, meint Patrick Wings, Geschäftsführer der Taskworld Deutschland GmbH. Denn daraus ergäben sich nicht nur gestalterische Freiheiten, sondern auch neue Herausforderungen im Hinblick auf die Kommunikation, Kollaboration, Prozessüberwachung und Mitarbeiterführung. »Die Definition von Arbeitsprozessen und Meilensteinen, eine klare Aufgabenverteilung, die Befristung und Überwachung der Tasks und die Messung der Leistung sind dabei wichtige Voraussetzungen für eine nachhaltig erfolgreiche Arbeitsorganisation. Dabei geht der Weg langfristig weg von der klassischen E-Mail-Kommunikation hin zu einer Task-basierten Prozesssteuerung, in der Informationen direkt in nachverfolgbaren Workflow-Strukturen eingebettet sind«, so Wings. »Digitalisierung führt zu einer Flexibilisierung«, fasst Reichenbach zusammen.