Interview mit BCS-Chef Jim Hart

Nachhaltigere Rechenzentren

4. November 2021, 7:00 Uhr |

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Das RZ als Fernwärmequelle

LANline: Inwieweit könnte ein dezentralerer Ansatz hilfreich sein, also die Nutzung von Rechenzentren als Wärmequellen in der Stadtplanung und Stadtentwicklung?

Jim Hart: In vielen nordeuropäischen Regionen, in denen Fernwärmesysteme üblich sind, wird dieses Verhalten durch Planungsvorschriften gefördert. Teil der Planungsvorschriften ist hier die Nutzung von Abwärme für die Fernwärme. Ich denke, das wird sich weiter durchsetzen, auch in Großbritannien wird das diskutiert. Bei einem unserer Projekte in Kopenhagen wird die RZ-Abwärme für die benachbarte Universität genutzt. Auch in Deutschland haben wir Projekte, bei denen wir uns mit der Abwärmenutzung für die lokale Gemeinde befassen. In Deutschland arbeiten wir mit Iron Mountain und CloudHQ an solchen Projekten.

LANline: Abgesehen von der Modernisierung von Rechenzentren, die sich am Ende ihres Lebenszyklus befinden, inwieweit halten Sie die Modernisierung nicht mehr genutzter industrieller Produktionsstätten für praktikabel?

Jim Hart: Bei Gebäuden mit einer großen Trägerspannweite ist dies sicher möglich. Aber es entstehen immer Sanierungskosten aufgrund von Umweltverschmutzung etc. Das Ausmaß der Verschmutzung und die damit verbundenen Sanierungskosten entscheiden also darüber, ob sich das im Einzelfall lohnt. Aber wir haben uns in der Vergangenheit damit befasst und werden dies sicherlich auch in Zukunft fortsetzen. Eines der ersten Projekte, das wir mit Google durchgeführt haben, war zum Beispiel eine Papierfabrik in Hamina, Finnland, die wir in ein Rechenzentrum umgewandelt haben.

LANline: Es gibt also zwei Hauptansätze für mehr RZ-Nachhaltigkeit: Einige, wie Google, zielen darauf ab, Effizienzgewinne durch hochdichte Hyperscale-Rechenzentren zu erzielen, andere bevorzugen ein weit verzweigtes Edge-Computing-Modell, das die RZ-Abwärme als Fernwärmequelle für die Umgegend verwertet. Welchen Ansatz halten Sie für eine dicht besiedelte und hoch industrialisierte Nation wie UK oder Deutschland für besser?

Jim Hart: Ich denke, es wird ein Hybridmodell geben. Wir haben das Aufkommen des Edge Computings erlebt, bei dem wir Mikro-RZ-Standorte oder Containerstandorte in städtischen Gebieten haben, die praktisch sofort verfügbare Rechenleistung für Spiele, Streaming, E-Retail etc. liefern. Sie sind mit einem zentralen Hub verbunden, wo die Datenspeicherung, die weniger intensiven Anwendungen und die Datenanalyse stattfinden. Gleichzeitig leiden die großen Hubs in Europa – in Frankfurt, London, Dublin, Amsterdam – bereits unter Kapazitätsproblemen bei der Stromversorgung. So hat Amsterdam vor kurzem ein Moratorium für den RZ-Bau erlassen, Frankfurt bemüht sich um eine strengere Planung, und Dublin versucht, die Ansiedlung von Rechenzentren außerhalb von Dublin zu erleichtern. Es wird also eine Hybridisierung der Art und Weise geben, wie Rechenzentren zum Einsatz kommen. Außerdem ermutigen die RZ-Betreiber ihre Kunden, stromintensive Anwendungen in Regionen wie Skandinavien zu verlagern, wo sie Zugang zu kostenloser Kühlung und preiswerter erneuerbarer Energie haben. Die Hybridisierung von Hyperscale und Edge wird auf jeden Fall der Weg in die Zukunft sein.

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Googles Rechenzentrum im finnischen Hamina nutzt die Gebäude einer ehemaligen Papierfabrik.
Googles Rechenzentrum im finnischen Hamina nutzt die Gebäude einer ehemaligen Papierfabrik.
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LANline: Meine letzte Frage: Die Digitalisierung – mit all ihren Data Lakes, Big-Data-Analysen, dem maschinellem Lernen und KI – hat zu einer enormen Eskalation der Datenmassen geführt, die erzeugt und konsumiert werden. Inwieweit werden wir Bestrebungen erleben, diese Eskalation abzumildern, die benötigte Datenmenge zu reduzieren, mit anderen Worten, „Daten zu sparen“?

Jim Hart: Das ist eine sehr interessante Frage. Tatsächlich sind wir die erste Generation, die Zugang zu dieser Datenmenge hat, die erste Generation, die Daten in diesem Umfang erzeugt hat. Wir lernen also nach und nach dazu. Wir wissen nicht, wo die Grenzen der Möglichkeiten liegen, wo die Grenzen der Anwendungen liegen. Dies wird ein Lernprozess sein, sicherlich für das nächste Jahrzehnt und für die nächste Generation. Eine Analogie ist das Mobiltelefon: Die jüngere Generation ist viel umsichtiger und kenntnisreicher im Umgang mit Mobiltelefonen als wir, weil es ein Teil ihres Lebens ist. Ich denke, dass wir etwas Ähnliches bei der Art und Weise erleben werden, wie wir Daten erzeugen und nutzen. Wie das aussehen wird, weiß ich nicht. Aber wir sehen schon jetzt die Effizienzgewinne, die durch Daten entstehen. Vorhin haben Sie KI und maschinelles Lernen erwähnt. Wenn wir uns zum Beispiel die Smart Cities ansehen, deren Effizienzsteigerung und das Vermeiden von Verschwendung, dann zahlt sich das aus. Und ich denke, dass wir mit zunehmendem Wissen darin immer besser werden.

LANline: Herr Hart, vielen Dank für das Gespräch.


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