Für das ESG-Reporting ist solch ernsthafter Einsatz allerdings gar nicht notwendig. Viel zu weich und allgemeingültig sind schon die Vorgaben, echte Konsequenzen haben die freiwilligen Bekenntnisse bislang nicht. Zwar bieten sie eine schöne Wohlfühlbotschaft, der wohl jeder bedenkenlos zustimmen kann, der Komplexität heutiger Produktions- und Lieferketten werden sie im Sinne echter Nachhaltigkeit allerdings nicht ansatzweise gerecht. Dadurch wird ihre eigentlich gute Intention teilweise konterkariert. Mit nur etwas Kreativität kann nahezu jedes Unternehmen unter Berufung auf ESG-Allgemeinplätze beschwören, sich intensiv um einen geringen ökologischen Fußabdruck, das Wohlergehen ihrer diversen Mitarbeitenden und ihre gesellschaftliche Verantwortung zu kümmern.
„Da ist es für manche Firmen naheliegender, in die Aufforstung von Wäldern oder den Brunnenbau in Tansania zu investieren und damit plakativ zu werben“, konstatiert Bleicher. Gerade im öffentlich am meisten beachteten ESG-Segment Umwelt lässt sich mit solcherlei als „Greenwashing“ bezeichneten Maßnahmen schnell ein vermeintlicher Erfolg bis hin zu einer rechnerischen CO2-Neutralität erreichen. Wie wenig nachhaltig diese ist, zeigt sich eindrücklich daran, dass sich auf diese Weise selbst „klimaneutrales Heizöl“ erschaffen lässt, wie es inzwischen einige Anbieter im Sortiment haben.
Ähnliches gibt es zur Genüge auch im ITK-Bereich, wo sich mancher Hersteller sauber rechnet, obwohl sein Geschäftsmodell im Wesentlichen darauf aufbaut, den Kunden möglichst jedes Jahr ein neues Gerät anzudrehen. „Laut einer Studie der TCO Certified, der weltweit führenden Nachhaltigkeitszertifizierung für IT-Produkte, beträgt der Kohlenstoff-Fußabdruck eines 14-Zoll-Standard-Laptops etwa 660 Pfund, was den Treibhausgasemissionen einer Autofahrt von 1.194 Kilometern entspricht. Fast 80 Prozent dieser Emissionen werden während der Herstellungsphase erzeugt“, gibt Ralf Schweitzer, Geschäftsführer des Refurbishers GSD, zu bedenken. Das zeigt, mit wie einfachen Mitteln, etwa der Verlängerung der Lebensdauer oder dem Einsatz Wiederaufbereiteter Geräte, sich oft schon ein signifikanter Effekt erzielen lässt.
Wissenschaftliche Studien taxieren den Anteil der Informations- und Kommunikationstechnologie am weltweiten Treibhausgas-Ausstoß aktuell zwischen 2,1 und 3,9 Prozent und damit über dem der viel gescholtenen Flugindustrie vor der Pandemie. Ein Großteil davon entfällt auf Rechenzentren. Die werden zwar immer effizienter, aber eben bei weitem nicht in dem Maße, in dem sie durch die Digitalisierung wachsen. An solchen Punkten muss die Branche ansetzen, um die grüne Revolution von innen heraus glaubhaft in den Markt tragen zu können.