In der Lebensmittelindustrie kann der Weg eines Produkts von seinem Ursprung bis zum Endverbraucher unnötig lang sein. Wie die Lebensmittelmarke KoRo diese Struktur durchbrechen will und welches Nachhaltigkeitskonzept man dabei verfolgt, verrät Christina Hollermann im Interview.
connect professional: Wie definiert Ihr Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit?
Christina Hollermann: Wir wollen wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit miteinander verknüpfen. Unserem Verständnis nach sind diese Aspekte voneinander abhängig und eng miteinander verwoben, denn ohne wirtschaftliche Ressourcen können wir keine ökologisch und sozial nachhaltigen Maßnahmen treffen. Im Lebensmittelhandel sind bestimmte Abnahmemengen erforderlich, um Importeur:innen und Großhändler:innen zu umgehen und noch mehr Einfluss auf die Lieferketten zu haben. Indem wir unsere Produkte so vielen Verbraucher:innen wie möglich zugänglich machen, wachsen wir und können unser Konzept in Zukunft in größerem Maßstab umsetzen und die Lebensmittelindustrie nachhaltig beeinflussen.
connect professional: Verfolgt Ihr Unternehmen eine übergeordnete Nachhaltigkeitsstrategie oder -mission? Wenn ja, wie sieht diese aus?
Hollermann: In der Lebensmittelindustrie kann der Weg eines Produkts von seinem Ursprung bis zu den Endverbraucher:innen durch viele Zwischenhändler:innen, Umpacken und aufwendiges Design unnötig lang sein. Unser Ansatz besteht darin, diese Struktur zu durchbrechen, indem wir Handelsstufen, zum Beispiel dank unserer Großpackungen, überspringen und so Emissionen und Material einsparen, die durch komplizierte und lange Lieferketten entstehen. Wir wollen direkter mit Erzeuger:innen und Landwirt:innen zusammenarbeiten, um nachhaltigere Praktiken in der gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben.
connect professional: Mit welchen konkreten Maßnahmen setzen Sie Nachhaltigkeit bei sich im Unternehmen um?
Hollermann: Ein großer Aspekt sind unsere Großpackungen. Sie sind der Ursprungsgedanke von KoRo, denn dank ihrem Einsatz spart man direkt Stufen in der Handelskette wie beispielsweise das Umverpacken in einzelhandelsübliche Kleinpackungen. Im Durchschnitt sparen wir dank Großpackungen rund 40 Prozent Plastikverpackung pro ein Kilogramm Lebensmittel im Vergleich zu durchschnittlichen Einzelhandelsverpackungen.* Ebenso wichtig ist die Art, wie wir unser Sortiment aufbauen. Unsere Produkte sind zu 99 Prozent vegetarisch sowie zu rund 60 Prozent vegan. 48 Prozent unserer Produkte haben Bio-Qualität (Stand 2024). Mit diesem Angebot und all den Informationen, die wir rund um die Produkte teilen, fördern wir eine klimaschonendere vegetarische/vegane Ernährung.
connect professional: Welche Vorteile sehen Sie im Thema Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen?
Hollermann: Wir sehen an erster Stelle unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt, unseren Kund:innen, Mitarbeitenden sowie unserer Lieferkette. Ein Vorteil, den nachhaltiges Handeln aber sicher mit sich bringt: Es sichert die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Wenn wir vorausschauend denken und die Auswirkungen unseres Handelns auf lange Sicht betrachten, können wir uns auch erfolgreicher für die Zukunft aufstellen. Außerdem stärkt dieses Handeln auch unsere Wettbewerbsfähigkeit, da wir auf die Wünsche von Kund:innen und Investor:innen reagieren.
Über KoRo |
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Das Unternehmen wurde im Jahr 2014 in Berlin gegründet. Ziel von KoRo ist es, unter anderem durch Großpackungen und das Überspringen von Handelsstufen hochwertige Lebensmittel zu fairen Preisen zugänglich zu machen. Verkauft werden die Produkte über den eigenen Onlineshop. Das Unternehmen beschäftigt aktuell rund 300 Mitarbeiter:innen. KoRo hat sich vorgenommen, eine der führenden Lebensmittelmarken Europas zu werden und mit vegetarischen und veganen better-for-you Produkten eine Alternative zu den etablierten Marktführern zu sein. |
connect professional: Wo sehen Sie die stärksten Treiber für Nachhaltigkeit mit Blick auf Ihr Unternehmen und sein unmittelbares Umfeld?
Hollermann: Als großen Treiber für unser Handeln sehen wir unsere eigene intrinsische Motivation und die unseres gesamten Teams an. Natürlich erhalten wir auch Wünsche und Forderungen von Kund:innen und unseren Investor:innen, denen wir nachkommen wollen. Der Fokus auf das Thema in der Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren, zum Glück, enorm gewachsen. Auch der Gesetzgeber hat immer mehr klare Rahmenbedingungen und Anforderungen, die erfüllt werden müssen. Wo wir können, versuchen wir dem zuvorzukommen und bereits durch unsere eigenen Ansprüche und Bemühungen das Unternehmen nachhaltiger zu machen.
connect professional: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Ein- und Durchführung der Nachhaltigkeitmaßnahmen in Ihrem Unternehmen?
Hollermann: Es ist schwer, Produkte bis in den Ursprung zurückzuverfolgen und direkt mit den Produzent:innen zusammenzuarbeiten. So funktioniert der internationale Lebensmittelhandel leider nicht. Oft stehen Zwischenhändler:innen und Importeur:innen zwischen uns und dem Produkt. Wir wollen trotzdem so nah, wie es uns möglich ist, an den Ursprung der Produkte gehen. Eine kurze Handelskette ist die Basis für fast alle Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die wir anstreben. Sie ist eng mit dem Wachstum von KoRo verbunden, denn nur wenn wir eine gewisse Größe als Unternehmen und Abnahmemenge haben, werden wir in die Handelsketten vordringen und nachhaltigere Praktiken durchsetzen können.
connect professional: Wie schätzen Sie den „Nachhaltigkeitsgrad“ Ihrer Branche ein?
Hollermann: In der Food-Branche steckt zwar sehr viel Potenzial, aber bei vielen Unternehmen – insbesondere den Big Playern – ist noch Luft nach oben. Der Anbau von Lebensmitteln hat einen direkten Einfluss auf Ökosysteme, die letztendlich unsere Lebensgrundlage sind. Ihr Schutz ist daher unabdingbar. Neben den ökologischen Auswirkungen hat die Lebensmittelindustrie auch großen Einfluss auf soziale (zum Beispiel Einhaltung von Menschenrechten) oder ökonomische Aspekte. Wir sind uns daher unserer Verantwortung bewusst und wollen unsere negativen Auswirkungen so gering wie möglich halten. Wir wissen aber auch, dass auch wir bei KoRo trotz vieler guter Ansätze weiterhin noch einiges zu tun haben.
* Stand 2022, Berechnung anhand einer Stichprobe aus Produkten unterschiedlicher Kategorien –Snacks, Nüsse, Trockenfrüchte, Kochzutaten – im Vergleich zu einzelhandelsüblichen Konkurrenten, hochgerechnet auf unsere damals 519 im Shop erhältlichen Großpackungen