Interview mit Performio und Circulee

Wie Nachhaltigkeit das Geschäft verändert

13. Mai 2024, 12:00 Uhr | Redaktion: Diana Künstler
© Circulee

Gerade im Mittelstand ist das Systemhaus der erste Ansprechpartner in allen IT-Fragen. Doch viele Systemhäuser und IT-Berater haben noch Nachholbedarf. Wie der IT-Dienstleister Performio die Beratungslücke schließen will, erläutert CEO Max Mäder im Doppelinterview mit Circulee-Chef Thomas Gros.

Grüne IT ist auf dem Vormarsch. Auch für den europäischen Mittelstand und die öffentliche Hand gewinnt der Einsatz von gebrauchter und generalüberholter Hardware angesichts strengerer Nachhaltigkeitspflichten, einem wachsenden ökologischen Bewusstsein und zunehmenden Kostendrucks an Attraktivität. Trotzdem sind Unternehmen noch immer schlecht beraten, wenn es um die Frage geht, wie sie ihre nachhaltige Transformation mit Green IT wirksam vorantreiben können. Der Grund: Für viele ist das Systemhaus der erste Ansprechpartner in IT-Fragen und bis heute sind nur wenige Dienstleister in der Lage beziehungsweise gewillt, fundierte Beratungsleistung bei der Einführung von Gebrauchtgeräten und ein adäquates Angebot in der erforderlichen Business-Qualität zu liefern.

Max Mäder ist CEO des Systemhauses Performio. Im Interview spricht er zusammen mit Thomas Gros, CEO von Circulee, einem Anbieter für wiederaufbereitete IT für Unternehmenskunden, über die veränderten Anforderungen der Unternehmen an ihre IT-Ausstattung, den optimalen Mix an Neu- und Gebrauchtgeräten und wieso es sich für Unternehmen gleich auf mehrfache Weise lohnt, mit den Vorteilen der IT-Kreislaufwirtschaft vertraut zu werden.

connect professional: Herr Gros, ihr Unternehmen versorgt mittelständische Unternehmen und Organisationen seit 2022 mit Refurbished IT. Wie hat sich der Markt seither entwickelt?

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Thomas Gros, Circulee
Thomas Gros ist Mitgründer und CEO von Circulee, einem Anbieter wiederaufbereiteter IT für Unternehmenskunden: „Viele Unternehmen wissen noch immer sehr wenig über ihre Optionen, Refurbished IT in der eigenen Organisation zielführend einzubinden und dadurch große Mengen an CO2 und Geld zu sparen. Hier tragen Systemhäuser also auch eine gesellschaftliche Verantwortung.“
© Circulee

Thomas Gros: Als wir mit circulee angefangen haben, war der Markt für wiederaufbereitete IT-Hardware im B2B-Sektor noch relativ überschaubar. Auch wenn schon einige Unternehmen bereit waren, fehlte es vor allem an Anbietern, die den besonderen Anforderungen, die im Geschäftsumfeld herrschen, gerecht werden konnten. Die Lieferung hoher Stückzahlen, erstklassige Qualität, aber auch ergänzende Dienstleistungen sind an dieser Stelle nur einige Stichworte. Diese Marktlücke haben wir begonnen zu schließen und die Professionalisierung der Wiederaufbereitungs-Branche nimmt seither weiter ihren Lauf.

Gleichzeitig ist auch die Nachfrage nach neu aufbereiteter Hardware in die Höhe geschnellt. Studien zufolge1 nutzt heute schon jedes siebte Unternehmen in Deutschland Refurbished IT. Der Anteil von Unternehmen, die wiederaufbereitete Hardware einsetzen, hat sich von 2022 zu 2023 dabei mehr als verdreifacht. Wir haben diesen Trend hautnah miterlebt und maßgeblich begleitet. 2024 werden wir sogar europaweit mehr Nachhaltigkeit in die Welt der Bits und Bytes bringen. Die Prognosen sind weiterhin erfolgsversprechend. Um weitere zehn Prozent soll der Markt in den kommenden Jahren wachsen. Viele erkennen erst jetzt die vielen Vorteile von grüner IT, aber natürlich treibt auch das bessere Angebot den Markt an.

Global Refurbished Computers and Laptops Market 2023-2032
Laut der aktuellen Marktstudie von Custom Market Insights wird erwartet, dass der globale Markt für wiederaufbereitete Computer und Laptops von 2023 bis 2032 eine jährliche Wachstumsrate von 11,6 Prozent verzeichnen wird. Bis zum Jahr 2032 wird die Marktgröße voraussichtlich einen Wert von 12,6 Milliarden US-Dollar erreichen.
© CMI Team

connect professional: Herr Mäder, durch Ihre Zusammenarbeit mit Circulee gehören sie als Systemhaus noch immer zu den First Movern, was Refurbished IT angeht. Was hat sie zu diesem Schritt bewegt und was sagen ihre Kunden, die Sie bereits mit Gebrauchtgeräten versorgen?

Max Mäder: Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde. Wir beobachten, dass sich, sicherlich auch getriggert durch die Erweiterung der CSRD-Berichtspflicht2, immer mehr auch tendenziell konservative Kunden aus dem Mittelstand für grüne IT interessieren. Gleichzeitig bewegt der kollektiv herrschende Druck, Kosten zu sparen, viele dazu, sich nach günstigeren Lösungen für hochwertige Arbeitsmittel umzusehen. Dazu kommt natürlich auch ein allgemein steigendes ökologisches Bewusstsein. Mit der Entscheidung, eine Auswahl hochqualitativer generalüberholter IT-Lösungen in unser Angebot aufzunehmen, werden wir dieser Entwicklung gerecht und können Unternehmen und Organisationen bei ihrer nachhaltigen Transformation noch vielseitiger begleiten oder sogar neue Kundensegmente auftun. Wir zeigen damit: Wir sind ein fortschrittliches Systemhaus mit ganzheitlichem Anspruch und einer kundenzentrischen Beratungsleistung – ganz ohne Scheuklappen.

connect professional: Würden Sie sagen, dass viele Unternehmen das Potenzial von gebrauchter IT-Hardware mit Blick auf ihre CSRD-Verpflichtungen aktuell noch unterschätzen?

Mäder: In den Unternehmen treffen wir in der Regel auf zwei große Motivatoren, die den Einsatz von generalüberholter IT begünstigen. Die einen wollen einfach Geld sparen und sehen ehrlicherweise auch rein rational keinen größeren Mehrwert mehr in Neugeräten. Natürlich steigt auch das ökologische Bewusstsein, was hier zusätzlich mit hineinspielt. Die anderen kommen im Zuge ihrer Nachhaltigkeitspflichten auf uns zu. Schon jetzt treiben die neuen Regelungen, die im Rahmen der CSR-Directive der EU entstehen, immer mehr Unternehmen dazu, ihre gewohnten Beschaffungsmodi zu überdenken. Diese Kunden haben dann meist schon eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt, Einsparpotenziale identifiziert und festgestellt: Der Beitrag von IT-Hardware ist wirklich relevant.

Wenn man aber bedenkt, wie viele berichtspflichtige Unternehmen noch immer auf konventionelle Neuanschaffungen setzen, stellt man sich schon die Frage: Worauf wartet ihr? Denn was wir auch sehen: Wer einmal damit begonnen hat, auf aufbereitete, statt auf Neugeräte zu setzen, der bleibt in den meisten Fällen auch dabei, weil die Vorteile hier klar überwiegen.

connect professional: Herr Gros, können Sie den Impact von IT-Kreislaufwirtschaft für uns in Zahlen ausdrücken?

Gros: Ich will es versuchen, auch wenn das natürlich von vielen Faktoren abhängt. Fakt ist: Elektroschrott ist der am schnellsten wachsende Abfallstrom der Erde. Unternehmen haben daran ihren Anteil, denn im Schnitt tauschen sie ihre Hardware alle zwei bis drei Jahre durch Neugeräte aus. Das ist ein ökologischer Wahnsinn und vor allem vermeidbar. Professionelles Refurbishing ist neben dem Recht auf Reparatur ein wichtiger Baustein, um diesen, wie ich ihn nenne, Wegwerf-Kult zu stoppen, denn es macht für die Nachhaltigkeit enormen Unterschied, ob Laptops, Monitore oder Smartphones neu eingekauft werden, oder ob Unternehmen und Organisationen Geräte einsetzen, die sich in einem zweiten oder sogar dritten Lebenszyklus befinden. Auf Basis externer und unabhängiger Recherchen können wir die genaue CO2-Bilanz von IT-Geräten ermitteln, einschließlich der Emissionen während ihrer Produktion, der Nutzung und der Logistik. Gerade der Produktionsprozess ist für bis zu 80 Prozent der durch die Geräte verursachten Emissionen verantwortlich. Vielen ist gar nicht klar, dass ein einziger Monitor bei seiner Herstellung so viele Emissionen verursacht wie drei deutsche Inlandsflüge. In Zahlen sind das 415 Kilogramm CO2. Weil sich der Produktionszeitpunkt neuer Geräte bei Verlängerung ihres Lebenszyklus nach hinten verschiebt, lässt sich weiterhin berechnen wie viel CO2 dadurch eingespart wird. Dieser ökologische Vorteil summiert sich schnell zu einem relevanten Impact auf. Das Einsparpotenzial ist also wirklich messbar, gerade bei Light-Asset-Offices, also Unternehmen mit wenigen physischen Ressourcen wie beispielsweise Dienstleistern, die einen hohen Anteil an Scope-3-Emissionen3 aufweisen.

connect professional: Welche Rolle spielen Systemhäuser für das weitere Wachstum des Marktes und das Ziel, die IT-Infrastruktur in Unternehmen nachhaltiger zu gestalten?

Gros: In vielen Fällen sind Systemhäuser diejenigen, die Betriebe hinsichtlich ihrer IT-Ausstattung beraten und den optimalen Geräte-Mix festlegen. Demgegenüber steht eine oft auf Neuware ausgerichtete Incentivierungslogik der Gerätehersteller, Stichwort Kick-Backs. Nur im Schulterschluss mit den Systemhäusern können wir als Green-IT-Anbieter es schaffen, diese umwelt- und zuletzt auch businessschädliche Mentalität, zu überwinden. Denn vielfach fehlt es den Unternehmen nicht am Willen, etwas zu ändern, sondern lediglich an einem für sie passenden Angebot und der entsprechenden Beratung dazu. Viele Unternehmen wissen noch immer sehr wenig über ihre Optionen, Refurbished IT in der eigenen Organisation zielführend einzubinden und dadurch große Mengen an CO2 und Geld zu sparen. Denn auch jenseits der Müllberge bringt Kreislaufwirtschaft Vorteile, von denen Unternehmen konkret profitieren. Devices im zweiten Lebenszyklus sind bis zu 50 Prozent günstiger als Neugeräte. Hier tragen Systemhäuser also auch eine gesellschaftliche Verantwortung.

connect professional: Sicher stoßen Sie bei der Beratung bezüglich des Einsatzes von gebrauchter IT-Hardware auch auf Vorbehalte. Welche sind das genau und wie begegnen Sie ihnen?

Gros: Wer sich noch gar nicht mit grüner IT befasst hat, bei dem ist oft noch dieses Neu-ist-immer-besser-Denken verankert. Wenn wir denen erklären, dass ihre technischen Vorbehalte aus einer anderen Zeit stammen, sind viele erstaunt. Heutzutage hält Hardware einschließlich des Betriebssystems und der Updates (zum Beispiel Security Patches) erheblich länger; bei Laptops bis zu acht Jahre. Zudem sind Unternehmen, die digitale Produkte verkaufen, seit 2022 per Gesetz verpflichtet, Updates für mindestens fünf Jahre zu garantieren4 – bald werden es sieben Jahre sein – um den Anforderungen der Update-Pflicht zu entsprechen. Auch der Aufbereitungsprozess macht immer mehr möglich. Mit einer sorgfältigen 19-stufigen Qualitätskontrolle stellen wir bei circulee sicher, dass nur Grade A-Ware unser Haus verlässt. Das Verfahren ist natürlich TÜV- und ISO-zertifiziert. Wenn man es richtig anstellt, steht generalüberholte IT ihrem fabrikneuen Pendant in nichts mehr nach.

Max Mäder, Performio
Max Mäder ist Gründer und CEO des Systemhauses Performio: „Bei den meisten Kunden rennen wir offene Türen ein. Was häufiger ein Thema ist, ist die Frage nach der Gewährleistung und inwieweit sie denen von Neugeräten entspricht.“
© Performio

Mäder: Von unserer Perspektive aus muss ich sagen: Bei den meisten Kunden rennen wir offene Türen ein. Was häufiger ein Thema ist, ist die Frage nach der Gewährleistung und inwieweit sie denen von Neugeräten entspricht. In diesem Punkt ist das Angebot eines guten Anbieters wie circulee daher absolut mit „Neu“ vergleichbar, was dann auch den letzten Zweifler überzeugt. Bei der Wahl eines Partners war uns auch die Business-Tauglichkeit des Angebots wichtig. Das umfasst die Möglichkeit, für die einheitliche Gerätelandschaft auch Ad-hoc-Modelle gleichen Typs in hoher Stückzahl zu bestellen, aber auch schnelle Lieferzeiten, direkte Lieferwege bis ins Homeoffice und einen guten, individuellen Service.

connect professional: Gibt es denn bei Green-IT-Konzepten nur „Ganz oder gar nicht“ oder ist sind hier auch Mittelwege sinnvoll?

Mäder: Egal, ob man mit wenigen Devices anfängt oder gleich ganze Bestände ersetzen will: Alles ist möglich und alles hat seine Wirkung. Oft ist ein Mix aus Neu- und Gebrauchtware aber am sinnvollsten. Als Beratungshaus schauen wir uns die bestehende IT-Landschaft der Unternehmen an, identifizieren Potenziale und machen konkrete Vorschläge, welche Geräte in welchen Bereichen sich anbieten. Dabei lohnt sich gebrauchte IT meist ohne Einschränkung für den Standard und in hohen Stückzahlen. Alle gängigen Tätigkeiten lassen sich bestens und günstig abbilden. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, als Faustregel lässt sich aber sagen, dass Unternehmen dann, aber nur dann, auf Neugeräte zugreifen sollten, wenn sie die letzten paar Prozentpunkte an Performance herauskitzeln wollen, beispielsweise bei CRD-basierten Architekturbüros oder für den Einsatz in Videostudios, wo es eben auf diese letzten paar Prozente ankommt. Das ist aber eher die Ausnahme. Für diemeisten Use Cases lohnt sich die refurbished Alternative.

Gros: In der Regel leistet performio die Beratung, führt die Bestandsaufnahme durch und spricht in engem Austausch mit uns eine Empfehlung aus. Die Gerätebeschaffung übernehmen dann wir. Wir richten das bestelltes IT-Equipment vorab ein und liefern es binnen drei Werktagen einsatzbereit ins Büro oder ins Homeoffice der Kunden.

Mäder: Genau. Die Implementierung und die Betreuung der Gerätelandschaft liegt dann wieder in unserem Aufgabenbereich, wobei wir zu jeder Zeit eng mit circulee zusammenarbeiten. Der Kunde kriegt davon jedoch nichts mit. Er spürt nur die Benefits.

connect professional: Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft Ihrer Branche?

Mäder: Dass Systemhäuser in Deutschland und Europa die grüne Revolution nicht verschlafen!

Gros: Ich denke auch, dass da noch mehr geht. Wir müssen die Beratungslücke schließen, um Kreislaufwirtschaft endlich auch in der B2B-IT zu verankern. Es gibt dabei nur Gewinner. Wir freuen uns, durch unsere Kooperation mit performio einen vorwärtsgewandten Partner gefunden zu haben und sind uns sicher, dass das erst der Anfang einer größeren Entwicklung ist.

1 https://www.custommarketinsights.com/report/refurbished-computers-and-laptops-market/
2 https://www.csr-in-deutschland.de/DE/CSR-Allgemein/CSR-Politik/CSR-in-der-EU/Corporate-Sustainability-Reporting-Directive/corporate-sustainability-reporting-directive-art.html
3 https://allianz-entwicklung-klima.de/toolbox/wie-berechne-ich-die-scope-3-emissionen-meines-unternehmens/
4 https://www.ihk.de/stuttgart/fuer-unternehmen/recht-und-steuern/it-recht/neue-rechte-bei-digitalen-inhalten-5071260


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