Technologiepotenzial

Bidirektionales Laden: Elektroautos als flexible Stromspeicher

20. Juni 2025, 13:15 Uhr | Diana Künstler
© UKRID – shutterstock.com

Bidirektionales Laden könnte E-Fahrzeuge zu mobilen Energiespeichern machen und somit zur Netzstabilisierung sowie zur Senkung der Stromkosten beitragen. Trotz technischer Machbarkeit bleiben fehlende Standards und gesetzliche Hürden zentrale Herausforderungen, über die der TÜV-Verband informiert.

Der Großteil der in Deutschland zugelassenen Elektroautos verbringt laut Branchenangaben einen großen Teil des Tages im Stand – und damit ungenutzt. Laut Einschätzung des TÜV-Verbands könnten diese Fahrzeuge künftig einen Beitrag zur Energiewende leisten, wenn ihre Batteriekapazität gezielt zur Stromspeicherung und -rückspeisung genutzt wird. Der TÜV sieht darin eine Möglichkeit, sowohl die Netzstabilität zu verbessern als auch Verbraucher:innen Einsparpotenziale bei den Stromkosten zu eröffnen.

Das Konzept des bidirektionalen Ladens umfasst mehrere Varianten:

  • Vehicle-to-Load (V2L): Nutzung des Fahrzeugs als mobile Energiequelle, etwa beim Camping oder für den Betrieb von Geräten im Außenbereich.
  • Vehicle-to-Vehicle (V2V): Energieübertragung von einem Elektrofahrzeug zu einem anderen, beispielsweise zur Pannenhilfe.
  • Vehicle-to-Home (V2H): Speicherung von selbst erzeugtem Solarstrom im Fahrzeugakku mit späterer Nutzung im Haushalt.
  • Vehicle-to-Grid (V2G): Rückspeisung der Fahrzeugenergie ins öffentliche Netz zur Netzstabilisierung.

Während V2L und V2V bereits vereinzelt im praktischen Einsatz sind, befinden sich V2H und V2G in Deutschland derzeit noch in der Pilotphase.

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Technische Anforderungen an Fahrzeug und Infrastruktur

Ein bidirektionaler Betrieb setzt mehrere technische Voraussetzungen voraus:

  • Kompatibles Fahrzeug: Fahrzeuge mit CHAdeMO-Standard (zum Beispiel Nissan LEAF, Mitsubishi Outlander) unterstützen bidirektionales Laden bereits. Fahrzeuge mit CCS-Anschluss benötigen die ISO-Norm 15118-20, die eine standardisierte Kommunikation mit der Ladeinfrastruktur sicherstellen soll. Diese Norm wird ab 2027 flächendeckend erwartet.
  • Bidirektionale DC-Wallbox: Für das bidirektionale Laden ist eine spezielle Wallbox erforderlich, die nicht nur Gleichstrom (DC) einspeist, sondern diesen auch wieder entnehmen kann. Zusätzlich muss ein Wechselrichter installiert sein, um den Gleichstrom in haushaltsüblichen Wechselstrom (AC) umzuwandeln. Die Kosten solcher DC-Wallboxen liegen derzeit bei 4.000 bis 6.000 Euro.
  • Netzintegration und Steuerung: Für Vehicle-to-Grid sind intelligente Steuerungssysteme und ein abgestimmtes Lastmanagement notwendig. Das lokale Netz muss technisch in der Lage sein, rückgespeisten Strom aufzunehmen, ohne die Netzstabilität zu gefährden.

Rechtliche Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Hürden

Derzeit existieren laut TÜV-Verband keine einheitlichen rechtlichen Vorgaben für die Rückspeisung von Strom aus Elektrofahrzeugen ins Netz. Auch fehlen klare Regelungen zur Vergütung eingespeister Energie. Zudem wird gespeicherte Energie derzeit doppelt belastet – durch Netzentgelte und Steuern –, was die Wirtschaftlichkeit bidirektionaler Anwendungen erheblich einschränkt.

Auch auf technischer Ebene gibt es Defizite: Die Zahl an zertifizierten Wallboxen und vollständig kompatiblen Systemkomponenten ist noch sehr gering. Das erschwert eine flächendeckende Einführung erheblich.

Politische Initiativen und erste Förderprogramme

Die Bundesregierung hat die Förderung bidirektionaler Ladelösungen im Koalitionsvertrag festgehalten. Erste Fördermaßnahmen, etwa durch die KfW, unterstützen die Anschaffung entsprechender Ladeinfrastruktur. Ein vom Bundeswirtschaftsministerium initiiertes Pilotprojekt untersucht derzeit, wie bidirektionales Laden in der Praxis zur Entlastung des Stromnetzes beitragen kann.

Laut TÜV sei jedoch neben der politischen Unterstützung vor allem ein regulatorischer Rahmen entscheidend, der technische Standards festlegt und eine wirtschaftliche Nutzung ermöglicht. Dazu zählen einheitliche Kommunikationsprotokolle zwischen Fahrzeug, Wallbox und Haustechnik sowie eine rechtssichere Netzintegration.

Auf den Punkt gebracht...
Bidirektionales Laden bietet erhebliches Potenzial zur Integration erneuerbarer Energien und zur Flexibilisierung der Stromnutzung. Die technischen Grundlagen sind vielfach vorhanden – der breite Einsatz scheitert jedoch aktuell an fehlenden gesetzlichen Regelungen, unzureichender Systemkompatibilität und fehlender Wirtschaftlichkeit. Damit das E-Auto künftig als fester Bestandteil der Energieinfrastruktur dienen kann, bedarf es klarer regulatorischer Vorgaben, zertifizierter Komponenten und marktgerechter Tarifmodelle.

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