funkschau: Die Unternehmensberatung Roland Berger kommt in ihrem Smart City Index von 2016 unter anderem zu dem Ergebnis, dass Städte bei der Umsetzung einer Smart City besonders deshalb Probleme haben, weil ihre Strategien nicht zu Ende gedacht sind. Wo sehen Sie die größten Hürden bei der Realisierung einer Smart City?
Ahle: Wichtig ist es zunächst einmal, überhaupt eine Strategie und eine digitale Vision zu haben. Hier hat der aktuelle Wettbewerb „Digitale Stadt“ des Bitkom und des Deutschen Städte- und Gemeindebunds in vielen deutschen Städten einen sehr dynamischen Prozess angestoßen. Steht diese Strategie einmal, gilt es, sie in kleinen Schritten umzusetzen, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Hierdurch lassen sich schnell erste Erfolge erzielen und es entsteht häufig eine kreative Dynamik. Gleichzeitig werden so Erfahrungen gesammelt, die zur Anpassung der Strategie genutzt werden können. Eine häufig zu beobachtende Hürde ist das Fehlen dieser übergreifenden Strategie, was in Konsequenz zu einzelnen Insellösungen führt, die sich anschließend nicht verbinden lassen. Gerade aus der Verbindung einzelner Lösungen entsteht jedoch häufig das eigentliche Nutzenpotenzial. Wenn Daten und Informationen aus unterschiedlichen Anwendungsbereichen zusammengeführt werden, sprechen wir von den sogenannten „Multi-sided Markets“. Zum Beispiel können intelligente Straßenlampen nicht nur für die energieeffiziente und sichere Steuerung des Lichtes genutzt werden. Versorgt man sie mit Sensoren zur Erkennung freier Parkplätze, so kann diese Information in die Navigationssysteme von Autos eingebunden werden und ich kann mich nicht nur zur Zieladresse, sondern zum nächsten freien Parkplatz im Bereich meiner Zieladresse navigieren lassen. Werden die Straßenlampen mit Luftgütesensoren versehen, so kann der „Stadt-Entscheider“, basierend auf diesen Informationen, die ÖPNV-Preise reduzieren oder den ÖPNV komplett kostenfrei schalten, um die Bevölkerung zu motivieren, den Bus statt des eigenen Autos zu benutzen. All diese und viele weitere Lösungen sind bereits basierend auf Fiware realisiert. Der Vorteil der Offenheit und der genutzten Standards ermöglicht es, solche Lösungen einfach von einer zur anderen Stadt zu übertragen.
funkschau: Inwiefern kann ein CDO (Chief Digital Officer) oder auch CIO (Chief Information Officer) die Realisierung einer Smart City unterstützen?
Wähling: Letztlich geht es darum, über alle Einzelmaßnahmen, Initiativen und Vorhaben den Überblick zu behalten. Dabei muss natürlich auch jemand über die technischen Aspekte und Voraussetzungen genau Bescheid wissen – zum Beispiel darüber, ob die IT-Infrastruktur optimal ausgerichtet ist. Ob es ein CDO oder CIO ist, der hier die Fäden in der Hand hält, ist dabei sekundär. Es bedarf einer Person auf oberster Ebene einer Stadt, die Interessengruppen an einen Tisch bringt und sich um die Entwicklung der Digital-Strategie kümmert. Er oder sie ist also wesentlicher Erfolgsfaktor für die Realisierung einer Smart City.
Ahle: Einen CIO oder IT-Verantwortlichen hat typischerweise jede Stadt. Dem Einsetzen eines CDO stehe ich kritisch gegenüber. Digitalisierung ist eine Führungsaufgabe und sollte bei dem Oberbürgermeister beginnen und in der gesamten Verwaltung verankert sein. Diese Verantwortung beim CDO zu verankern, kann erfolgreich sein, birgt aber die Gefahr, dass der Rest der Organisation diesen Weg nicht mitgeht. Man hat ja den CDO für die Digitalisierung. Der zuvor beschriebene Wettbewerb Digitale Stadt trägt diesem Ansatz Rechnung: Die digitale Strategie und Vision der Stadt muss durch den Oberbürgermeister vor der Jury vorgetragen werden.