Gastkommentar

New Work und der kontrollierte Kontrollverlust

29. Oktober 2020, 13:00 Uhr | Autor: Marc Paczian / Redaktion: Sabine Narloch
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In digitalen Zeiten müssen Technologie und Unternehmenskultur Hand in hand gehen. Dazu gehört auch ein "kontrollierter Kontrollverlust", meint Marc Paczian von Dropbox.

Die Krise, in die uns ein mikroskopisch kleines, unsichtbares Virus gestürzt hat, hat den heutigen Unternehmen in vielerlei Hinsicht den Spiegel vorgehalten. In erster Linie machte Corona mir eines deutlich, worüber ich in den letzten Jahren des Öfteren auf verschiedenen Bühnen referierte: Technologie, Unternehmenskultur, neues Arbeiten, Fokus und Effizienz sind Themen, die man in der täglichen Arbeit – und vor allem in der Zusammenarbeit in globalen Teams – eng verschweißen muss. 2020 ist uns schlagartig klar geworden, dass unsere bisherigen Arbeitsweisen veraltet sind und in einer Sackgasse feststecken. Ehrlich gesprochen hatten wir in den letzten Jahrzehnten weder gelernt, uns gut um unsere Umwelt zu kümmern, noch um unsere eigenen Ressourcen. Unsere Arbeitstage waren schon vor Covid-19 gezeichnet von ständigen Störungen unserer Konzentration und unsere 24/7 Always-on-Mentalität brachte uns nur schnurgerade in eine tiefe Midworkcrises.

Zunächst glaubten wir, diese Schieflage durch Technologie als alleinigen Heilsbringer lösen zu können. Doch schnell wurde klar, dass der Bereich Technik mit einer weiteren wichtigen Säule verschweißt werden muss, nämlich der Unternehmenskultur! Beide lebten bislang auf unterschiedlichen Planeten. Bis zum heutigen Tag sind die meisten Arbeitsplätze nicht auf die Menschen abgestimmt, die an ihnen arbeiten. Doch als uns Corona quasi über Nacht ins Home-office katapultierte, war offensichtlich, welches Puzzleteil zur technologischen Ausstattung fehlte: Vertrauen.

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New Work
Marc Paczian ist Head of Channel Solutions, EMEA und Kulturbotschafter bei Dropbox
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Diese Krise, durch die wir gerade gehen, birgt Chancen auf einen Paradigmenwechsel: Vertrauen ist die Basis jeder Zusammenarbeit. Immer mehr Unternehmen müssen das Gleichgewicht zwischen Kontrolle und Freiheit beim Einsatz von Tools und ebenso im Verhältnis von eigenständiger Remote-Arbeit versus kontrollierter Arbeit an einem festen Unternehmensarbeitsplatz neu definieren. Inzwischen haben sehr viele Arbeitgeber verstanden, dass Arbeit nicht das ist, was man durch Anwesenheit sehen und überprüfen kann. Die IT-Abteilung darf dabei nicht länger blockieren, sondern kann gegenteilig sogar helfen, diese Veränderung zu fördern: Auch hier hat die Krise disruptive Kräfte freigesetzt, denn sie hat eine Offenheit für neue Denkansätze geschaffen und ein hohes Interesse an den Technologien, die uns „Working from Home“ blitzschnell und möglichst Reibungsverlustfrei ermöglichen. Ganz ungeachtet der Unternehmensgröße muss die zentrale Frage beantwortet werden: Wie erleichtert ein neues Tool die Arbeit? Der Kernaspekt eines Werkzeugs soll und muss die Vereinfachung sein. Unser Arbeitsplatz darf nicht immer komplizierter werden, sondern muss intelligent und smart alles an einem Ort zusammenführen.

Neben einem optimalen Toolsetting braucht es ein neues Mindset. Seit Jahren kämpfe ich für einen „kontrollierten Kontrollverlust“ in Sachen Personalführung, hinter dem eine große, tragende Vertrauensphilosophie steht. Denn jeden zu duzen oder die Krawatte gegen ein Motto-Shirt zu tauschen, reicht für ein wirklich „neues Arbeiten“ bei Weitem nicht aus. Nur eine starke Unternehmenskultur ist der Schlüssel für New Work. Und eine Kultur ohne Vertrauen kann nicht funktionieren. Viele Unternehmen tun sich schwer, sich von engmaschiger Kontrolle zu lösen und Vertrauen als Basis ihres Schaffens zu verankern. Doch eines habe ich im Laufe meiner Karriere gelernt: Wer die besten Talente im Team haben will, muss Vertrauen als fundamentalen Wert in der Unternehmenskultur verankern. Vom Einstellungsprozess, über flexible Arbeitszeiten und mehr Eigenverantwortung, hin zu einer offenen Fehler- und Feedback-Kultur. Trust is the new control.

Zuletzt komme ich zum relevantesten Punkt: Es war nie wichtiger, als heute, unseren „Empathie-Turbo“ zu zünden. Fragen wir ernst und ehrlich: „Wie geht es dir?“ Nicht oberflächlich, ohne eine Antwort abzuwarten, als reine Small-Talk-Floskel. Sensibilisieren wir uns für die Antworten und schaffen wir ein tiefes Verständnis für die jeweilige individuelle Situation unserer Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Da  geht es mal um Verständnis für die hohe Belastung einer 24/7 Kinderbetreuung oder um Sorgen über Verwandte oder Freunde in Hauptkrisengebieten. Und mittlerweile geht es auch manchmal um Ängste, bedrückende Gefühle oder fehlende Zuversicht bei denen unter uns, die den fehlenden sozialen Kontakt zum Kollegium, den Flurtalk, das Abklatschen bei tollen Erfolgen und den direkten Kundenkontakt schmerzlich vermissen oder – besonders bei Alleinlebenden – sich zunehmend einsam fühlen. Wenn wir uns jetzt zu einem Maximum an Empathie bekennen, ist es möglich, Ängste, Sorgen und Konflikte direkt beim Entstehen aufzulösen und Auswege aus so mancher herausfordernden Situation zu finden.


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