connect professional: Werden denn klassische Schulungen, bei denen man ein oder zwei Tage in einem Schulungsraum sitzt, überhaupt noch gemacht?
Paasch: Das macht man definitiv noch. Vor Corona, also vor März 2020, haben wir jede Woche irgendwo Trainings gegeben bei Kunden. Wir waren vor Ort, haben die Mitarbeiter geschult, das waren oft 10 bis 20 Teilnehmer. Durch Corona ist das natürlich komplett zusammengebrochen. Dann kamen Remote-Trainings.
connect professional: Und hat sich da gezeigt, dass man gar nicht vor Ort sein muss, um eine solche Schulung durchzuführen?
Paasch: Remote-Schulungen waren okay, aber es war nie so effektiv, wie ein Training in Person. Vor Ort sehe ich die Körpersprache von meinem Gegenüber. Ich kann herumgehen und den Teilnehmern auf den Bildschirm schauen und sehen, dass diese Person gerade ein Problem hat mit der Software. Das ist in einem virtuellen Training nicht so einfach. Viele haben beispielsweise ihre Kamera nicht an, was für den Trainer nicht gerade hilfreich ist. Zudem ist es nicht jedermanns Sache in einer großen Runde digital zu sagen, dass man ein Problem hat und nicht weiter kommt. Da ist es für mich als Trainer natürlich viel schwieriger zu erkennen, wer gerade ein Problem hat.
connect professional: Wie hat sich das seit Corona entwickelt?
Paasch: Wir haben in den Jahren nach Corona gemerkt, dass wir bei den Trainings nicht auf den Vor-Corona-Stand zurückgekommen sind. Es finden zumindest bei uns weniger Trainings in Person statt. Um Geld zu sparen entscheiden sich Organisationen dann lieber für zwei, drei Stunden Online-Training anstatt acht Stunden in Person. Das spart zwar Reise- und Übernachtungskosten, aber es ist auch weniger effektiv. Darum ist mein Hinweis immer: Wenn man schon ein Tool oder eine neue Software einführt, dann sollte man das Geld lieber am Anfang in die Hand nehmen, das Training persönlich durchführen und die Mitarbeiter abholen.
connect professional: Bedarf es bei diesem Punkt viel Überzeugungsarbeit?
Paasch: Definitiv. Aktuell ist das wirtschaftliche Klima nicht so gut und viele Unternehmen wollen oder müssen sparen. Da wird natürlich ein externer Berater oder Training sehr schnell eingespart. Stattdessen wird gesagt: „Für diese Software hier gibt es Onlinevideos oder ein Onlinehandbuch. Guck dir das bitte an.“ Das macht aber in der Regel kaum jemand. Und wenn sich drei oder vier Mitarbeiter die Software selber beibringen, verwendet sie jeder etwas anders. Dabei ist es unglaublich wichtig, eine Art Governance-Guideline einzuführen.
connect professional: Was ist damit genau gemeint?
Paasch: Hierunter verstehen wir, dass man sich auf bestimmte Standards einigt, wie man eine Software im Unternehmen verwendet. Das geht los mit Fragen, ob geduzt oder gesiezt wird? Oder: Wie viele Informationen müssen beispielsweise bei einem Projektmanagement-Tool hineingeschrieben werden? Fügen wir ein Fälligkeitsdatum hinzu oder überlassen wir das der Person, die verantwortlich ist für die Aufgabe? Da gibt es viele Stellhebel.
connect professional: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Paasch: Wir hatten Fälle mit einer Projektmanagement-Software, da haben die Early Adopter direkt alle Aufgaben reingeschrieben, die es vorher als E-Mails oder auf Post-it-Zetteln gab. Das wurde an die Teammitglieder vergeben, so dass bei einem einzelnen Mitarbeiter plötzlich 20 oder 30 Aufgaben aufpoppten – auch im E-Mail-Eingang. Der wiederum wusste nicht mehr, was er machen soll, und empfand das zudem auch als unhöflich, dass er diese Aufgaben ohne persönliche Kommunikation bekommen hat. Darum ist die Verabschiedung einer Governance-Guideline im Team sehr wichtig. Wenn man das am Anfang macht, erhöht das die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Einführung, weil es weniger Frustration gibt.