connect professional: Wie hätte sich mit einer Guideline ein solcher Fall vermeiden lassen?
Paasch: Indem in der Guideline einerseits festgelegt wird, dass E-Mail-Notifications deaktiviert werden; im Gegenzug wissen alle im Team, dass sie sich mindestens einmal am Tag einloggen sollen, um nachzusehen, ob Aufgaben für sie eingegangen sind. Und andererseits sollte man grundsätzlich festlegen, was man mit welchem Tool macht. Wenn es um ein bestimmtes Projekt geht, dann sollte dazu alles in einer Software gemacht werden, anstatt mal Informationen über die Chat-Software und mal im Projektmanagement-Tool reinzugeben.
connect professional: Sind solche Guidelines eine Aufgabe der Führungsebene?
Paasch: Es sollte eine Führungsaufgabe sein. Genauso wie es Führungsaufgabe ist, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Software tatsächlich zu nutzen. Stattdessen sehen wir häufig, dass die Führungsebene zwar meint, eine neue Software einzuführen, mache Sinn. Doch dann arbeiten alle damit – außer der Führungsebene. Das ist nicht zielführend.
connect professional: Wo sind denn generell die Grenzen von Collaboration- oder Projektmanagement-Tools?
Paasch: Die meisten Unternehmen haben die Herausforderung, dass es letztlich immer mehr zu tun gibt als Leute, die das abarbeiten können. Dann gibt es Datensilos, einige Aufgaben und Informationen sind in E-Mails, andere in Microsoft Teams oder Slack und so weiter. Da macht es Sinn, das einmal zusammenzuführen, um alles im Blick zu haben und richtig priorisieren zu können. Aber das klappt eben nicht von selber. Schließlich kommt hinzu, dass zwar auf den Webseiten der meisten Softwarelösungen steht, dass man sie einfach nur herunterlädt und es läuft. Aber das funktioniert vielleicht in einem Unternehmen mit fünf Leuten, wo man ohnehin viel miteinander spricht. Doch schon bei Unternehmen mit 30, 40 Leuten wird es schwieriger, geschweige denn in einem Large Enterprise. Da kann man nicht einfach das Tool rüberwerfen, man muss wirklich ein eigenes Projekt daraus machen. Und was wir auch bei Kunden schon gesehen haben: Ist ein Tool im Unternehmen gescheitert, wird ein anderes eingeführt. Aber das Scheitern liegt in der Regel nicht am Tool, sondern daran, dass die Mitarbeiter keine Einführung erhalten haben und begleitet werden.
connect professional: Liegt das möglicherweise auch daran, dass eine gewisse Unwissenheit herrscht, welches Tool man für was man nehmen soll, oder auch eine falsche Erwartungshaltung an das Tool gestellt wird?
Paasch: Definitiv. Es scheitert oft schon daran, dass anfangs die Anforderungen nicht genau aufgeschrieben wurden. Also sich zu überlegen, welches Problem haben wir gerade? Welches Ziel möchten wir erreichen? Und welche Anforderungen muss ein Tool mitbringen? Nehmen wir Microsoft Teams: Es ist gut zum Chatten und für Videotelefonie, aber es ist per se kein Task-Projektmanagement-Tool. Natürlich kann man etwas wie den Microsoft Planner integrieren, aber auch das ist sehr basic. Wenn aber ein Unternehmen zum Beispiel eine neue Fabrik im Ausland eröffnen möchte, gibt es hunderte von Aufgaben und Abhängigkeiten. Da braucht man irgendwann eine spezielle Software, um dieses Projekt erfolgreich zu meistern.