»Unternehmen wollen auch weiterhin eine eigene Infrastruktur und on premise-Anwendungen, aber auch Cloud in allen Varianten«, sagt Oracle-Deutschland-Chefin Stefanie Kemp im Interview mit ICT CHANNEL (Ausgabe 22, 30.Oktober 2020). Viele würden zwar »Cloud First« sagen, gleichzeitig aber auch »not Cloud only«. Wenn sie schon eigene Datacenter auch künftig besitzen wollen und ihre Applikationen auf einer Private Cloud aufsetzen, wollen sie indes alle Flexibilität haben, die sie von Public Cloud-Anbietern kennen.
Den Nachteil eines »Followers« im jungen Cloud-Business gegenüber AWS oder Google will Oracle in einen Vorteil wandeln. Reichlich installierte Kundensysteme im Datenbank- und ERP-Umfeld sind eine stattliche Basis, um Oracle-Kunden die Wahlfreiheit des IT-Bezugs zu lassen. Es ist eine Wette auf die Zukunft.
Ähnlich sieht die Stoßrichtung bei HPE, Dell, Fujitsu oder anderen Technogiedinos aus, die das Servergeschäft auch künftig noch hoch halten und nicht wie IBM abgestoßen haben. Bei jeder ihrer Konferenzen in den letzten Jahren stand und steht das Konzept Hybrid Cloud im Vordergrund. Hyperscaler unnötig stärker zu machen als sie ohnehin schon sind, und sie mit Servern zu beliefern, lehnt HPE-CEO Antonio Neri rigoros ab. AWS oder Google brauchen sie indes auch nicht, sie haben längst direkte Geschäftsbeziehungen zu asiatischen Bare-Metal-Lieferanten.
Derweil bleiben HPE & Co nichts anderes übrig als darauf zu setzen, dass eine Innovation wie Cloud bewährte Technologie-Stacks nie ganz ablösen wird. Im Gegenteil: Gelingt es traditionellen IT-Infrastrukturanbietern und ihren Partnern die Vorteile von Public Cloud - administrative Flexibilität, attraktive Pay-as-you-use-Modelle und Migrationsschnelligkeit – in die Rechenzentren der Kunden zu bringen, dann haben sie als Hard-und Software-Lieferant hybrider IT-Architekturen noch lange eine Zukunft. Theoretisch.
Ungeduldiger Kapitalmarkt
Praktisch heißt das aber: Wie lange wird man traditionellen Herstellern Zeit geben, ihre Cloud-Profitabilität unter Beweis zu stellen, ohne ihr klassisches Kerngeschäft zu vernachlässigen. Während vor allem Amazon seine Investitionen ganz in seine IaaS-Sparte steckt, AWS das Innovationstempo vorgibt und mit nahezu täglichen Neuerungen die ganze Aufmerksamkeit auf sich lenkt, muss der hardwarenahe Wettbewerb seine F&E-Spendings schließlich in beide Richtungen verteilen. Cloud-Aufbau kostet viel Geld. Der SAP-Schock am Montag hat es deutlich gezeigt: Der Kapitalmarkt erwartet schnelle Renditen, Investoren traumhafte Vervielfachung ihrer Beteiligungen. Und finden sie aktuell bei reinen Hyperscalern und SaaS-Anbietern. Viel Zeit wird Technologiedinos wie Oracle, HPE, Dell oder Fujitsu für nicht gegeben, ihre Cloud-Profitabilität unter Beweis zu stellen, ohne dass sie ihr klassisches Kerngeschäft vernachlässigen wollen, wie sie stets beteuern.
Sie seien mit Blick auf ihre Marktkapitalisierung »marginalisiert«, brachte es der CEO eines großen Systemhauses unlängst auf einem Event von ICT CHANNEL auf den Punkt. Es ist eine Wette auf die Zukunft. Die Deutsche Bahn hat sie bereits eingelöst.