Die Digitalisierung von Schulen kam durch die Pandemie voran. Doch trotz des Erreichten sind noch etliche Lücken zu schließen. Ein Gastkommentar von Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des VDR.
Die Corona-Krise hat mit Sicherheit durch den erzeugten Handlungsdruck dazu geführt, dass mit vorher kaum zu erahnender Geschwindigkeit die Digita-lisierung an den Schulen in Deutschland vorangebracht wurde. Auch der Digitalpakt I hat nach Anlaufschwierigkeiten, Abrufproblemen und bürokratischen Hürden dafür gesorgt, dass zumindest die Grundausstattung mit digitalen Endgeräten an den Schulen im Großen und Ganzen und mit Abstrichen in einigen Ländern sichergestellt wurde.
Doch Jubel ist nicht angebracht. Es offenbaren sich Lücken in der Digitalisierung der Schulen. Diese Lücken müssen endlich geschlossen werden. Nicht das bloße Endgerät macht die Digitalisierung oder den digital gestützten Unterricht, sondern die Vernetzung, das kollaborative Arbeiten, die Administration, die Wartung der Geräte. Ganz zu schweigen von den Unterstützungsmaßnahmen, um Lehrkräfte fit zu machen im pädagogisch sinnvollen Einsatz der digitalen Möglichkeiten.
Es ist also dringend erforderlich, dass endlich ein Digitalpakt II aufgelegt wird. Dieser Digitalpakt II darf die inhaltlichen und verfahrenstechnischen Fehler des ersten Digitalpaktes nicht wiederholen und muss eindeutig Mittel für Wartung, Administration und auch für Weiterbildungen zur Verfügung stellen. Die Schulen und die diversen Sachaufwandsträger dürfen mit den nach wie vor bestehenden Umsetzungsproblemen nicht allein gelassen werden. Hierbei muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass bei der Umsetzung dieser wichtigen zweiten Phase der Digitalisierung der Schulen auf mittelständische Unternehmen zurückgegriffen werden kann, um die Lehrkräfte, die neben ihren unterrichtlichen Aufgaben oft den technischen Support vor Ort leisten müssen, zu entlasten.
Wir werden die Digitalisierung nicht voranbringen, wenn wir nicht die Strukturen in unseren Netzen an den Schulen auf einen ordentlichen Stand bringen. Da helfen uns keine 16 selbstgestrickten Lösungen der einzelnen Bundesländer, da helfen uns nur Spezialisten. Anstatt, dass jedes Bundesland auf Teufel komm raus seine eigene Schulcloud-Lösung entwickelt, die überhaupt nicht mit dem technischen Stand Schritt halten kann, sollten Schulen professionelle Lösungen einsetzen dürfen. Es ist nicht Aufgabe des Staates, sich als IT-Entwickler und Systemhaus zu etablieren. Auch hier muss ein Digitalpakt II ansetzen.
Ein Alternativmodell wäre, das zu nutzen, was funktioniert, dem aktuellen technischen Stand entspricht, und ohne den Kolleginnen und Kollegen mit irgendwelchen datenschutzrechtlichen Verordnungen Angst zu machen.
Das Entscheidende ist doch, dass der pädagogische Mehrwert der digitalen Möglichkeiten umgesetzt werden kann. Hierbei müssen den Lehrkräften die zeitlichen und pädagogischen Freiräume zur Weiterbildung und zum Austausch eingeräumt werden. Hier muss endlich der Umgang mit digitalen Medien und Anwendungen Eingang in die Lehrkräfteausbildung finden. Digi-Labs müssen zum Standard an deutschen Universitäten werden.
Wir stehen erst am Anfang der Digitalisierung unseres Bildungswesens – lassen Sie uns endlich die realistischen, pädagogisch sinnvollen Schritte in die Zukunft tun.