funkschau: Welche Rolle spielt bei dieser Entwicklung Künstliche Intelligenz – und welche Rolle sollte ihr auch zukommen?
Dilger: Für die Erforschung von künstlichen Intelligenzen ist der Kundenservicebereich sehr interessant. Angefangen von einfachen, routinierten Aufgaben, die ein Roboter übernehmen kann, bis hin zu Terminvereinbarungen durch einen Sprachroboter, wie letztes Jahr von Google mit Google Duplex vorgestellt. In diesem Beispiel ruft eine KI einen Frisörsalon an, um für die Kundin Lisa einen Haarschneidetermin zu vereinbaren. Oder aber, noch weitergedacht, für Kundenservicemitarbeiter, die nicht nur die menschliche Sprache nahezu perfekt imitieren, sondern die Avatare zusätzlich menschenähnliche Gestik und Mimik haben. Aktuelle, marktreife Chatbot-Technologien, ob text- oder auch sprachbasiert, sind eine einfache Form einer KI und können für den Kundenservicebereich eine große Entlastung bei wiederkehrenden und nicht zu komplexen Sachverhalten herbeiführen. Zusätzlich besteht eine realistische Chance, die Kundenzufriedenheit durch den Einsatz von Chatbots deutlich zu erhöhen, weil sie eben 24/7 verfügbar sind. Dies gelingt aber wahrlich nur dann, wenn der Bot zuverlässig weiterhelfen kann, oder aber das Gespräch ab einem für die Zufriedenheit kritischen Moment an einen echten Mitarbeiter weitergibt.
Ich bin überzeugt davon, dass KI im Kundenservice noch mehr Potenziale freisetzen könnte. Die Frage, welche Rolle der KI aber tatsächlich zukommen sollte, ist absolut richtig. Letztlich sind wir, die Verbraucher, diejenigen, die darüber entscheiden. Für mich steht es jedenfalls außer Frage, dass der Verbraucher beispielsweise immer wissen muss, ob er gerade mit einer KI spricht oder mit einem Menschen.
funkschau: Sollten Bots in Zukunft also nicht so konzipiert und entwickelt werden, dass sie die menschliche Kommunikation vollständig imitieren können?
Dilger: Wie gesagt, aus meiner Sicht sollte ein Roboter niemals vorgaukeln ein Mensch zu sein. Denn es wäre einfach nicht ethisch. Die Europäische Union hat letztes Jahr eine Ethik-Kommission einberufen, die sich mit der Frage beschäftigt hat, welche Ethikrichtlinien es bei dem Einsatz von künstlichen Intelligenzen geben muss. Auch wenn nicht alle der EU-Kommission angehörigen Mitglieder mit dem Ergebnis zufrieden sind, ist es doch wenigstens ein bisher weltweit einmaliger Versuch, sich des Themas anzunehmen.
Ich halte es auch für unbedingt notwendig, denn auf KI spezialisierte Firmen und Zukunftsforscher forschen auch mit Hochdruck an Maschinenwesen, die ganzheitlich menschenähnlich sind. Einen solchen Androiden in der Kundenkommunikation einzusetzen, halte ich für absolut nicht erstrebenswert. Unsere menschliche Kommunikation lebt von der Persönlichkeit eines Individuums und seiner Fähigkeit zu Intuition und Empathie. Gerade das bewusste, empathische Eingehen auf Bedürfnisse ist für die KI-Forschung eine der größten Herausforderungen und es stellt sich wieder die Frage nach ethischen Richtlinien. Insgesamt steht die Entwicklung von humanoiden Robotern jedoch noch am Anfang und es kann nach Expertenmeinungen auch noch einige Jahrzehnte dauern, bis die Forschung zu neuronalen Netzen so weit fortgeschritten ist, dass der täuschend ähnliche Roboter annähernd so gut ist wie ein Mensch. Bis dahin erhoffe ich mir einen gesellschaftlichen Konsens über die vertretbaren Einsatzgebiete von hochentwickelten KIs.
funkschau: Sollten Unternehmen also in Kombination mit ihrer Digitalisierungsstrategie weiterhin ebenso gezielt in die Schulung des Personals investieren?
Dilger: Contact-Center-Mitarbeiter werden aus meiner Sicht nicht überflüssig und sollten es auch nicht werden. Viele Anfragen und Vorgänge in der Kunde-Dienstleister-Kommunikation lassen sich sehr gut automatisieren, sodass Mitarbeiter nur noch vereinzelt oder gar nicht mehr eingreifen müssen. Mit einem Menschen in bestimmten Situationen zu kommunizieren wird aber auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil im Kundenservice bleiben. Ich sehe die Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen als eine große Chance, die Mitarbeiter in Unternehmen so zu unterstützen, dass der Kundenservice an sich effizienter, freundlicher und reibungsloser erbracht werden kann. Aber sicherlich, das Profil vieler Call-Center-Mitarbeiter wird sich verändern müssen. Wenn einfache oder wiederkehrende Tätigkeiten wegfallen, weil sie von Robotern abgearbeitet werden, werden Kundenbetreuer vermehrt mit komplexeren, nicht so einfach zu lösenden Aufgaben beschäftigt sein. Und dafür benötigen sie die nötigen Kompetenzen und Schulungen für den Umgang mit digitalen Unterstützungswerkzeugen.