Eine Bewertung der potenziellen Client-Technologien im Hinblick auf die für ein Unternehmen relevanten und priorisierten Erfolgsfaktoren definiert den Rahmen für die Ableitung einer langfristig tragfähigen Client-Strategie. Betrachtet man die heutigen Standardarchitekturen von Anwendungssystemen sind diese meist sehr ähnlich aufgebaut: Es existiert in der Regel eine komplexe dezentrale Anwendungslandschaft, die sehr mit der Client-Infrastruktur verwoben ist und die sich auf dezentrale notwendige IT-Services stützt. Auf Basis solch einer Anwendungslandschaft können vier Strate-gien zur Transformation der bestehenden Anwendungssysteme verfolgt werden:
1. Desktop-Anwendungen in und aus der Cloud ergänzen das Technologie-Portfolio: Klassische Desktop-Anwendungen (Office-Produkte, PIM inklusive Mail/Groupware, Querschnittsfunktionen: File, Berechtigung, Datenbanken) sind aktuell weit verbreitet, native Apps als deren Pendant sind gerade für kleine Endgeräte optimal (zum Beispiel PIM inklusive Mail). Sie können über Downloadmechanismen oder Anwendungsstreaming auf dem jeweiligen Endgerät zur Verfügung gestellt werden. Funktionen des Endgerätes können hierbei optimal genutzt werden. Auch ein Offline-Betrieb ist bei Bedarf möglich. Allerdings hat dieser Ansatz eine hohe Plattformabhängigkeit und ist aufgrund der breiten Angriffsmöglichkeiten mit Sicherheitsrisiken behaftet.
Alternativ können Desktop-Anwendungen über entsprechende Virtualisierungsplattformen leicht zentralisiert bereitgestellt werden. Auch hier werden inzwischen verschiedene Endgeräte oder auch rein Browser-basierte Clientstacks unterstützt. Eine Adaption an verschieden Formfaktoren ist aber nur durch Reimplementierung des Frontends möglich.
2. Cloud-Plattformen für Desktop-Anwendungen: Die Trägersysteme für die Virtualisierung von nativen Anwendungen, Desktops oder ganzen Clients verstehen sich ebenfalls als Cloud-Plattformen. Apps sind in den App-Stores der jeweiligen Zielplattformen zu beziehen. Hier bieten große etablierte Hersteller Lösungen an, die häufig im Finanzsektor, aber auch in Universitäten, eingestzt werden.
Diese Systeme sind am Markt etabliert und bieten bereits viele der benötigten Plattform-Funktionen sowohl für das Management der Plattform als auch für eine horizontale Skalierung an. Bei diesen Virtualisierungssysteme ist auch die Interaktion von Anwendungen oder Ressourceneinbindung unterstützt. Desktop-Apps stehen hier nur die lokalen APIs der Trägerplattformen zur Verfügung. Als Transformationsschritt bietet sich die Nutzung dieser Virtualisierungstechnologie an, er führt aber nicht zu den gewünschten Kosten-Effekten und adressiert nur sehr bedingt moderne Endgeräte. Desktop-Apps dagegen haben ihren festen Platz in der Cloud-Landschaft, adressieren aber isolierte und spezialisierte Anwendungsfälle wie beispielsweie Mailing. Für komplexe Anwendungssysteme wie Back-Office oder Call-Center sind sie eher nicht geeignet.
3. Web-Anwendungen als Transformationschritt in die Cloud: Die Anwendungsarchitekur von Web-Anwendungen ermöglicht eine einfache Adaption der Frontends für Endgeräte verschiedener Formfaktoren und können für das jewei-lige Endgerät optimierte Web-Seiten liefern. Entsprechende Frameworks von Herstellern gibt es derzeit in großer Auswahl. Die Frage ist jeoch: Welches Framework setzt sich im Markt durch?
Eine deploymentfreie Bereitstellung erleichtert das Client-Management. Beim Design sollte allerdings auf einen potenziellen Betrieb im WAN geachtet werden, auch wenn entsprechende WAN-Optimierungen verfügbar und empfehlenswert sind. Mandantenfähigkeit ist ebenfalls zu realisieren, sie ist aber in einem solchen Umfeld leicht umzusetzen.
An ihre Grenzen stoßen Web-Anwendungen jedoch zum Beispiel bei der Interaktion mit Peripheriegeräten oder Server-Pushfunktionen, die nur bei einer Anreicherung um native Funktionen möglich sind, wie es zum Beispiel hybride Apps oder Browser-Plugins realisieren.
4. Komplexe Anwendungen auf Basis einer webbasierte Cloud-Plattform: Für die Bereitstellung einer komplexeren Anwendungslandschaft über Web-Frontends reicht der ausschließliche Einsatz von Web-Anwendungen jedoch nicht aus.
Neben der Frage unterstützter Softwarestacks müssen eine Reihe von Betriebsfunktionen der Plattform von der Provisionierung über Skalierung bis hin zum Monitoring, Reporting und Accounting realisiert werden. Eine zentrale Navigationsanwendung zur Ansteuerung der Anwendungen oder von Plattformfunktionen wird benötigt und bedarf einer zielgruppengerechten Gestaltung, um den klassischen Desktop zu ersetzen.
In der Regel sind in komplexeren Anwendungslandschaften auch Interaktionen zwischen Anwendungen und eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen erforderlich. Hierzu gehören zum Beispiel Identity- und Access-Management sowie File-Services oder auch parametrisierte Anwendungsaufrufe.
Web-basierte Cloud-Plattformen sind bereits am Markt. Allerdings fehlt es bislang oft an einer Standardisierung der Plattformfunktionalitäten und der Querschnittsfunktionen. Anwendungen müssen für eine Provisionierung in der Regel angepasst und je nach Plattform auch, zumindest teilweise, neu geschrieben werden.