connect professional: Somit ist das eine neue Art und Weise, ein ERP-System zu nutzen?
Knorr: Richtig. Früher haben unsere Bestandskunden gesagt, dass sie ein ERP benötigen, um Bestellungen anlegen und Rechnungen schreiben zu können. Das war es im Wesentlichen – da wurde das System also ganz schlank eingeführt. Jetzt sehen unsere Kunden, was mit IFS Cloud möglich ist und welche Prozesse sie da implementieren können. Auf dieser Basis entwickeln sie neue Geschäftsmodelle. Durch diese Möglichkeit, Assets auch im System zu haben, kann ich auf einmal auch einen After Sales Service anbieten, weil die Daten ja da sind. Das ist einer der Hauptvorteile eines integrierten ERPs.
connect professional: Das ERP weitet sozusagen den Horizont von einzelnen Abteilungen im Unternehmen?
Knorr: So könnte man sagen. In der Vergangenheit hat man oft gedacht hat, Prozesse in Unternehmen seien relativ gekapselt. Man hat also sein HR, ein CRM, Lieferantenbeziehungen, Supply Chain und die Fertigung. Im Laufe der Zeit hat man dann aber festgestellt: So gekapselt sind die Prozesse gar nicht. Stattdessen gibt es Interaktionen und Interferenzen in alle anderen Bereiche.
Denn ob ein Mitarbeiter krank oder im Urlaub ist, ist auch für die Produktionsplanung wichtig. Zudem sind auch die Skills, die ein Mitarbeiter hat, für die Planung von Servicearbeiten relevant. Hier kommen möglicherweise nur bestimmte Mitarbeiter mit einer speziellen Qualifikation in Frage. Solche Skills sind klassisch im HR beheimatet. Und auch der Einkauf spielt eine Rolle: Wenn zum Beispiel ein bestimmtes Bauteil, das bestellt wurde, verspätet eintrifft, weil der Lieferant gerade Lieferschwierigkeiten hat, dann hat das Auswirkungen auf die Produktion.
connect professional: Haben Sie noch ein Beispiel?
Knorr: Wir haben einen Kunden, bei dem die Muttergesellschaft eine S4/Hana-Strategie vorgegeben hatte. Die Tochter hat sich jedoch für IFS entschieden. Das Argument war, dass sie Engineering, Herstellen und den Service dieser Anlagen als ihr Business identifiziert haben. IFS kann diese drei Dimensionen in einem Produkt abdecken. Man braucht kein separates Produkt-Datenmanagement, es lässt sich die komplette Produktion über die Projektfertigung abwickeln, und die Daten hat man ohnehin schon im System. Das heißt, sobald ein Unternehmen eine Maschine produziert hat, wird ein Asset erstellt, für das man die Geräte-Akte und eine End-to-End-Historie hat. Und für dieses Asset beziehungsweise die Maschine wird dann noch Service erbracht. Wenn zum Beispiel auffällt, dass relativ häufig der gleiche Mangel beim gleichen Maschinentyp vorkommt, dann lässt sich das in die Konstruktion zurückspielen; die kann Veränderungen an dem Bauteil vornehmen, so dass dieser Mangel nicht mehr auftaucht.
connect professional: Manufacturing heißt nicht nur, etwas zu produzieren, sondern auch noch entsprechende Services zum Produkt anzubieten, dabei spielt das Field Service Management eine Rolle. Was ist dabei die größte Herausforderung?
Knorr: Wenn man ein Team von 200 Service-Technikern hat, die unterteilt sind in verschiedene Abteilungen, dann klingt das relativ einfach: Man teilt die hereinkommenden Service-Aufträge einfach den 200 Leuten zu. Aber jetzt kommt der Haken: Wie teile ich sie denn zu? Da gibt es verschiedenste Aspekte zu bedenken: die Entfernung zum Einsatzort, Skills der einzelnen Mitarbeiter, Daten zur aktuellen Verkehrslage, welche Aufträge kann man an einem Tag überhaupt abarbeiten? Wir haben über 20 Algorithmen, die all diese Dimensionen in höchster Komplexität planen können, um die sinnvollste Planung für die Servicetechniker zu machen; dabei wird auch die Kostensicht und First Time Fix Rate berücksichtigt.
connect professional: Sie erwähnten, dass Unternehmen mitunter erst durch die Möglichkeiten von Systemen auf Ideen und neue Geschäftsmodelle kommen. Lassen Sie uns daher abschließend noch einen Blick auf den Reifegrad von Unternehmen im DACH-Markt werfen: Wie schätzen Sie diesen aktuell ein?
Knorr: Der Reifegrad ist in den letzten fünf Jahren deutlich gestiegen. Ich selbst hatte vor fünf, sechs Jahren angefangen, mich mit dem IoT-Thema zu beschäftigen. Am Anfang kamen die Ideen bei allen gut an. Fragte man dann an, wie es mit der Realisierung aussieht, dann hieß es oft: „Wir schauen mal.“ Das steckte alles noch sehr in den Kinderschuhen. Gefühlt sind die Unternehmen nun deutlich offener geworden. Aber wir sind noch lange nicht da, dass jedes Unternehmen das schon heute im Einsatz hat.