Von heute auf morgen das Arbeitsleben so umfassend umzustülpen wie das in den letzten Monaten passierte, ist zu "normalen" Zeiten ein ungeheurer Kraftakt. Coronabedingt ging es innerhalb kürzester Zeit - und klappte vielerorts erstaunlich gut. Diesen Spirit sollten Unternehmen auch künftig nutzen.
Not macht erfinderisch, heißt es im Sprichwort. Möglicherweise sind Lösungen, die aus einer misslichen Lage heraus geboren wurden, nicht immer die optimalen. Doch das eine oder andere mag sich auch in besseren Zeiten als ganz praktikabel erweisen. Jetzt, da der berufliche Alltag allmählich zurückkommen soll, stellt sich die Frage: Was passiert nun mit all den Neuerungen? Schließlich werden seit Wochen aus unzähligen Heimbüros Unternehmen am Laufen gehalten, für die in der Vor-Corona-Zeit das Thema Homeoffice ein rotes Tuch war. In Arztpraxen finden plötzlich Videosprechstunden statt und selbst Herrschaften jenseits der 80 plaudern vergnügt beim Videotelefonat mit ihren Liebsten – in Seniorenheimen unterstützt von Pflegekräften.
Den Spirit erhalten
Durch das ganze Land und alle Altersschichten hat sich ein Ruck ins Digitale vollzogen, auch wenn die technischen Mittel aktuell mitunter noch nicht so sind, wie sich das IT-Abteilung und Anwender gleichermaßen wünschen würden. Um die Technik soll es hier aber auch gar nicht gehen. Vielmehr um den Spirit, der doch alle irgendwie über diese Zeit trägt. Denn im beruflichen Umfeld hat die Corona-Zeit offengelegt: Es geht viel mehr, als sich Chefetage und Mitarbeiterschaft zu denken gewagt und zugetraut hätten. Es funktioniert, weil alle an einem Strang ziehen. Mitdenken, konstruktiv bleiben, sich verantwortlich fühlen – und schlichtweg auch in den eigenen vier Wänden den Job so gut wie eben möglich zu machen sowie Verständnis auf Seiten des Arbeitgebers, dass vielleicht nicht alles so läuft wie gewohnt. Das ist eine Melange, mit der sich schon ein paar Bäume ausreißen lassen.
Und manches klappt im Homeoffice vielleicht sogar besser als im „stationären Büro“. Genau das wären Kandidaten, die in der neuen Normalität beibehalten werden sollten. Beispiel „fokussiertes Arbeiten“. Ein Schlagwort, das immer wieder genannt wird, wenn es darum geht, bessere Arbeitsergebnisse zu erzielen. Vorausgesetzt man hat im Homeoffice ein ruhiges Plätzchen, arbeitet man – so ganz ohne „Vor-Ort-Kollegen“ – ein oder zwei Stunden an einer Sache und erlebt ihn: den sagenumwobenen Flow, vollkommene Konzentration.
Warum also nicht im neuen Alltag mehr Blöcke für ein solches Arbeiten einplanen? Das würde heißen, dass man sich für ein paar Stunden zurückzieht, beispielsweise ins Homeoffice. Wer dies schon immer gemacht hat, muss davon nicht überzeugt werden. Laut einer Online-Umfrage von April 2020, die der Computerhersteller Acer in Auftrag gegeben hatte, arbeiteten schon vor Corona 39 Prozent der 2.000 Befragten zeitweise zuhause, 13 Prozent taten dies überwiegend. Für 46 Prozent der aktuellen Heimarbeiter ist diese Erfahrung jedoch neu. Davon würde aber knapp die Hälfte (48 Prozent) nach der Pandemie gerne die Heimarbeit beibehalten. Eine breite Front also „pro Homeoffice“ – und wie sich gezeigt hat: des funktionierenden Heimbüros.
Die richtige Dosis finden
Gerade Entscheider in Unternehmen, in denen die Heimarbeit bislang abgelehnt wurde, sollten sich also überlegen, ob sie diese restriktive Linie nun nicht doch aufweichen. Die Befürchtung, die manch Arbeitgeber hat, dass Mitarbeiter sich daheim einen schönen Lenz machen, dürfte durch die letzten Wochen keine Bestätigung erfahren haben. Sicherlich wird ein Nachjustieren hier und da nötig sein, sei es im Hinblick auf die Technik oder auch die Intensität der Heimarbeit, um beim Beispiel zu bleiben. Schließlich gibt es ja nicht nur die beiden Varianten „Ganz oder gar nicht“. Manchmal mögen ein paar Stunden in der Woche oder ein Tag im Monat Rückzug genügen, fest vereinbart oder nach Bedarf. Themen wie diese, könnten dazu beitragen, dass sich nun auch der „normale“ Büroalltag verändert.Etliche der dafür gefragten Qualitäten wurden in den letzten Wochen allerorten bewiesen: Mut neue Wege zu gehen, den Mitarbeitern zu vertrauen, Nachjustieren, wenn es irgendwo hakt. Man darf gespannt sein, wie gut im „normalen“ Alltag funktioniert, was sich schon in der Krise bewährt hat.