Der starke Rückgang ist für Branchenkenner keine Überraschung, der Preiskampf zum Teil sogar selbst verschuldet. Obwohl das Hoch im PC-Markt 2014 klar als Windows XP-Sondereffekt erkennbar war, hätten einige Hersteller auf eine anhaltend hohe Nachfrage gesetzt. Besonders HP und Lenovo sollen, so Brancheninsider, munter weiter in den Channel verkauft haben und würden jetzt auf besonders hohen Lagerbeständen sitzen. Die Rede ist von Lagerreichweiten bis zu sieben Monaten und damit bis weit über das Jahresendgeschäft hinaus. Auch der deutlich verschärfte Preisdruck im PC-Markt soll größtenteils auf das Konto der PC-Riesen gehen. HP und Lenovo liefern sich im PC-Markt derzeit einen harten Kampf um die Vorherrschaft, den sich vor allem Lenovo einiges kosten lässt. Der chinesische IT-Konzern will in allen wichtigen Regionen PC-Marktführer werden und soll dabei auf ein sehr »aggressives pricing« setzen, wie Wettbewerber beklagen.
Die Kollateralschäden in diesem Kampf der Giganten bekommen die kleineren Mitbewerber ab. Sie versuchen die Talfahrt des PC-Marktes so gut es geht zu überstehen und sich dem Preiskampf zu entziehen. Bei Acer und Asus gibt man sich trotz der teilweise massiven Verkaufsrückgänge im ersten Halbjahr 2015 gelassen. Im Gespräch mit CRN betonen Acers B-2-B-Chef Stefan Tiefenthal und Asus-Vertriebschef Jan Schneider, dass sie aufgrund vorsichtiger Forecasts keine hohen Lagerkapazitäten abverkaufen müssten. Nachdem Acer vor einigen Jahren schon einmal enorme Bestände losschlagen musste, habe man diesmal auf der Basis des Vorjahres sehr realistisch geplant, betont Tiefenthal. Auch beim Preiskampf würde sich Acer – anders als in früheren Jahren – jetzt zurückhalten. Den massiven Abwärtstrend bei den Verkaufspreisen, ausgelöst durch billige Notebooks mit Microsofts Suchmaschine Bing, hätte Acer zum Glück so nicht mitgemacht.
»Das extrem starke erste Halbjahr 2014 hat den einen oder anderen Hersteller dazu verleitet, die Nachfrage zu überschätzen. Dabei war jedem in der Branche klar, dass das ein vom Supportende für Windows XP ausgelöster Sondereffekt war«, bestätigt Asus-Vertriebsleiter Jan Schneider im CRN-Gespräch. Wie außergewöhnlich dieser Vorjahreseffekt gewesen sei, würde der extrem starke Einbruch im ersten Halbjahr 2015 belegen. Heftige Rückgänge gebe es besonders im Consumer- und Retail-Markt, die sich aber sehr stark auf den Gesamtmarkt durchgeschlagen hätten. Auch Schneider beklagt den derzeit hohen Preisdruck im Markt. Er glaubt aber, dass sich die Situation im zweiten Halbjahr entspannen werde. Verhaltene Hoffnungen setzt er auf das neue Betriebssystem: »Windows 10 wird sicher einen Effekt haben, aber nicht den großen Hype auslösen.« Für Consumer sei es einfach nur ein neues Betriebssystem, außerdem hätten diese Kunden mit Windows 7 und 8 eine relativ aktuelle Basis, die sie zudem kostenlos updaten könnten. Die Situation sei anders als bei der Ablöse des ungeliebten Windows Vista. Deutlich mehr Vorteile würde das plattformübergreifende Konzept von Windows 10 aber für Businesskunden bringen. »Das Interesse aus dem Systemhausumfeld und von deren Kunden ist sehr groß.« Das werde sich aber sicher nicht vor dem zweiten Halbjahr 2016 auch bei den Verkaufszahlen niederschlagen.
Bernhard Fauser, Director Channel/SMB Germany & Austria bei Lenovo, will die Überhänge im Channel gegenüber CRN nicht bestätigen. Lenovo hätte »vertretbare Lagerbestände« und sei zuversichtlich, diese in absehbarer Zeit abzuverkaufen. »Wir werden das zeitnah managen«, so Fauser. Aber natürlich sei der Gesamtmarkt 2015 bis jetzt extrem rückläufig im Vergleich zur XP-Blase im Vorjahr und auch hohe Lagerbestände im Markt. Im Commercial-Bereich sei Lenovo mit den Verkäufen im zweiten Quartal aber durchaus zufrieden. Windows 10 wird laut Fauser die Nachfrage ankurbeln – aber nicht vergleichbar mit dem XP-Effekt im Vorjahr. Im Consumer-Bereich werde es auch wegen der kostenlosen Update-Möglichkeit für bestehende Systeme sicher keinen Hype geben. Bessere Chancen sieht er im B-2-B-Bereich. Hier gebe es bereits Anfragen von Kunden. »Viele B-2-B-Kunden haben Windows 8 nicht mitgemacht. Sie stehen jetzt vor der Wahl, die drei Jahre alten Systeme auszutauschen.« Er sieht gerade im Commercial-Bereich zwei Wachstumstreiber die schon gegen Jahresende greifen würden: Das plattformübergreifende Konzept von Windows 10 und Intels neue Hardware-Plattform, die im Herbst gelauncht wird. Beide zusammen würden für Nachfrage sorgen. Für das Gesamtjahr 2015 wird sich der PC-Markt seiner Meinung nach auf dem Niveau von 2013 einpendeln.
Weit weniger optimistisch sind die Erwartungen von Jörg Brünig an den verkaufsfördernden Effekt von Windows 10: «Wir erwarten rein von Windows 10 keine Sondereffekte im B-2-B«, so der Channel-Verantwortliche von Fujitsu im Gespräch mit CRN. Wegen des enormen Aufwands könnten es sich die meisten Unternehmen gar nicht erlauben, alle drei bis vier Jahre auf ein neues Betriebssystem zu wechseln. Außerdem hätte Microsoft den Zusatznutzen seines neuesten Betriebssystems bisher nicht schlüssig kommuniziert. »Die meisten B-2-B-Kunden werden deshalb erst einmal den Release-Wechsel abwarten und sich das in Ruhe ansehen. In eineinhalb bis zwei Jahren können wir uns im B-2-B-Geschäft mit Windows 10 dann ernsthaft auseinandersetzen,« so seine Prognose.