funkschau: Ist das also die Aufgabe des Top-Managements?
Heyen: Ja, die Geschäftsführung muss die übergreifende Strategie, das große Bild vorgeben. Anschließend gilt es, die Umsetzung in die Fachabteilungen zu delegieren. Aber auch dort braucht es jemanden, der in die Bereiche geht und die Leute wachrüttelt. Denn oft herrscht hier mit Blick auf einen weitreichenden Wandel die gleiche Situation vor wie in der IT-Abteilung: Unsicherheit und Angst vor Veränderung. Besonders das mittlere Management ist in vielen Fällen ein blockender Faktor.
funkschau: Können diese Mitarbeiter das Vorankommen gefährden?
Heyen: Es gibt Menschen, bei denen merkt man ganz früh, dass es einfach nur Angst vor Veränderung ist. Es gibt aber auch Leute in Unternehmen, an denen man einfach nicht vorbeikommt. In der Strategieberatung gehört es dazu, auch solche unangenehmen Punkte anzusprechen.
funkschau: Wie steht es um die Transformationsbereitschaft der Unternehmen im Allgemeinen, sehen Sie eine Entwicklung im Markt?
Heyen: Wir werden in den kommenden Jahren viel Bewegung im Markt sehen. Viele Unternehmen verstehen, dass es eine Transformation benötigt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Von den anderen Unternehmen werden hingegen in einigen Jahren nicht mehr alle bestehen.
funkschau: Was ist die Ausgangslage der Unternehmen, die sich für einen Digitalisierungsprozess entschieden haben?
Heyen: Die Ausgangslage ist in vielen Branchen und Bereichen die gleiche: In den meisten Unternehmen sehen wir unnötige Mehrarbeit oder Systeme mit unauffindbaren oder ungenutzten Daten. Als erstes gilt es immer zu prüfen, wo der Pain Point ist, wo genau es also hakt. Darüber hinaus steht die Frage nach dem Business Need im Fokus, was ich also benötige, um mein Geschäft erfolgreich voranzubringen. Das kann die Suche nach Fachkräften sein, Alleinstellungsmerkmale gegenüber dem Wettbewerb et cetera.
funkschau: Sie beginnen den Transformationsprozess also nicht bei der technischen Infrastruktur?
Heyen: Die Werkzeuge sind in diesem Prozess der letzte Schritt. Am Anfang steht eine Vision und die Herausforderung, diese mit den Anforderungen der Fachabteilungen abzugleichen. Wir müssen Gespräche mit den einzelnen Bereichen führen, wo der tatsächliche Business Need ist und diese mit einer unternehmensweiten Strategie alignen. Die Technik ist in den Projekten austauschbar. Es ist nicht wichtig, ob ich am Ende eine Lösung von Microsoft, IBM oder Cisco einsetze. Eine große Herausforderung ist es hingegen, die Belegschaft dann auch fit für die neuen Werkzeuge zu machen.
funkschau: Und wie kann das Ihrer Erfahrung nach gelingen?
Heyen: Man muss gerade bei der Einführung neuer Werkzeuge immer diejenigen im Unternehmen und den Fachabteilungen identifizieren, die für ein Thema brennen. Es ist nicht möglich, mit jedem Mitarbeiter zu sprechen. Daher brauche ich Feedback-Geber und Key User. Diese können die Neuerungen in die Abteilungen tragen und dort weitere Entwicklung vorantreiben. Wenn ich es dann schaffe, allen Mitarbeiter klar zu machen, dass sich nur etwas ändert, damit es dem Unternehmen und ihnen individuellen Mehrwert bringt, sie diesen begreifen, baue ich auch sofort die Abwehrhaltungen ab und schaffe wirklich neue Arbeitsweisen.
funkschau: Und mit welchen Argumenten überzeugen Sie vorab die Geschäftsführung, die Transformation überhaupt erst anzustoßen? Welche Rolle spielt dabei die monetäre Betrachtung?
Heyen: Sicherlich muss man eine ROI-Rechnung für entsprechende Projekte aufstellen, der wirkliche Einstieg funktioniert aber fast immer über Effizienz. Bei zunehmendem Marktdruck kann es eigentlich nur noch darum gehen. Es geht darum, Tätigkeiten effizienter und angenehmer zu gestalten. Effizienz bedeutet für uns aber nicht, dass man bei gleicher Zeit mehr schaffen kann, sondern vor allem, dass man weniger Ablenkungen und sinnfreien Tätigkeiten ausgesetzt ist, um einer hochwertigen und sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen
funkschau: Aber es wird sicherlich noch Unternehmen geben, die dennoch lieber an den klassischen Konzepten festhalten möchten?
Heyen: Unternehmen mit altem Mindset, die beispielsweise ihren Mitarbeitern nicht vertrauen und diese überwachen, werden in einer sich immer schneller drehenden Welt nicht mehr lange bestehen. Ob aufgrund des Fachkräftemangels oder der Wettbewerbsfähigkeit – man hat keine Chance, wenn man sich nicht zu agilen, transparenten und auf Mehrwert fokussierten Prozessen hin entwickelt. Das betrifft jede Branche. Selbst der Bäcker im Dorf kann und muss irgendwann seine Prozesse optimieren. Ob man das nun gut findet, oder nicht.
funkschau: Und wann ist dieser Prozess abgeschlossen?
Heyen: Die Digitale Transformation ist kein Projekt, sondern die fortlaufende Entwicklung eines Unternehmens. Es ist ein Prozess. Die Dinge, über die wir sprechen, wie beispielsweise der Digital Workplace, sind nur der erste Schritt. Sie sind noch viel zu klein gedacht. Sie sind noch keine Revolution. Die tatsächliche Revolution ist noch einen guten Schritt voraus, sie wird hauptsächlich durch AI getrieben. Die große Revolution wird kommen, wenn stupide Aufgaben durch künstliche Intelligenz und Automatisierung wegfallen. Dann werden wir auch um das bedingungslose Grundeinkommen nicht drumherum kommen, das ist eine positive Entwicklung, die einen neuen Sinn im Leben fördern kann. Auch wenn dieser gesamte Prozess der Gesellschaft nochmal richtig wehtun wird. Aber die Revolution wird dann kommen, wenn sich Tätigkeiten ändern, wenn wir das tun können, was uns erfüllt. Denn Arbeit kann etwas sehr Beglückendes sein.