Die fabelhafte Welt der AIOps

KI dirigiert das Server-Ballett

13. Juni 2023, 7:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner
© Wolfgang Traub

Je nachdem, wen man gerade fragt, ist künstliche Intelligenz (KI) die revolutionärste Neuerung seit der Erfindung des Rads, des Internets oder zumindest des veganen Scheiblettenkäses. Quer durch alle Branchen planen Unternehmen, mittels KI ihre Prozesse eleganter zu gestalten und zu orchestrieren, sei es per Auswertung von Massendaten durch ML (Machine Learning) oder die optimierte Mensch-Maschine-Interaktion mittels generativer KI, beispielsweise ChatGPT. AIOps-Lösungen (Artificial Intelligence for IT Operations) sollen dafür sorgen, dass die IT-Umgebung ohne großen manuellen Aufwand nach der Pfeife des Administrators tanzt.

Stichwort „Tanz“: Die letzte große Bastion des Musicals ist der Animationsfilm. Als zum Beispiel der Nachwuchslöwe Simba in Disneys „Der König der Löwen“ seinen Anspruch auf Herrschaft im Tierreich proklamiert, bilden die anderen Tierarten in einer Musical-Revuenummer eine Pyramide aus ihren Körpern, auf deren Spitze Simba dann sein „I just can’t wait to be king“ schmettert. Nach der Durchsage fällt die Pyramide wieder in sich zusammen. Derlei agile Pyramidenbildung nennt man in IT-Kreisen „Intent-based Provisioning“ (absichtsbasierte Bereitstellung): KI ermittelt aus der verbal formulierten Absicht den Ressourcenbedarf und orchestriert die Ressourcen automatisch – nur eines von unzähligen Beispielen dafür, wie die Branche das IT-Management per KI optimieren will.

Es gibt aber nicht „die eine“ KI. Zwei prominente Varianten: erstens symbolische Systeme mit der Annahme, dass KI wie Logik oder Programmierung funktionieren sollte, auf denen die heute verbreiteten Expertensysteme und Wissensgraphen beruhen, zweitens neuronale Netze (Deep Neural Networks oder kurz DNNs) mit dem menschlichen Gehirn als Vorbild. Letzthin dominieren DNNs die Diskussion, und dies in diversen Bereichen: für die Verarbeitung natürlicher Sprache zum Beispiel bei Siri, Alexa oder Google Assistant; bei der Bilderzeugung etwa mittels Dall-E, Stable Diffusion oder Midjourney; zudem zur Texterstellung mittels großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) wie GPT (Generative Pre-trained Transformer) von OpenAI, auf dem die populäre Konversations-KI ChatGPT beruht.

GPT ist, wie der Name schon sagt, ein Transformer, also ein DL-Modell (Deep Learning, eine Variante des Machine Learnings oder ML), das mittels eines Verfahrens namens Self-Attention die Bedeutung von Input eigenständig gewichtet. Chat-GPT hat der breiten Öffentlichkeit das Potenzial von KI vor Augen geführt: Der Chatbot erscheint geradezu als Flaschengeist aus einem anderen Disney-Film, aus „Aladdin“. Anhand von wenigen Prompts (Vorgaben) erzeugt hier der „Djinn“, im Original gesprochen vom genialen Stand-up-Komiker Robin Williams, einen Wirbelwind vielfältiger Ergebnisse. ChatGPT arbeitet scheinbar ähnlich, ist im Grunde aber nur eine Autocomplete-Funktion, die dank LLM-Training sehr weit vorausplant. Google hat mit Bard kürzlich ein Konkurrenzangebot vorgestellt, das in manchen Punkten ChatGPT überflügeln soll.

Einen Flaschengeist hätte der geplagte IT’ler auch gern. Zum Glück arbeitet die Softwarebranche schon lange am KI-gestützten IT-Betrieb: Anbieter wie IBM, HPE, Splunk oder die Hyperscaler sammeln seit Jahren Telemetriedaten ihrer Geräte, Lösungen und Cloud-Services. Denn es erfordert einen riesigen Datenpool, um KI/ML-Modelle für AIOps zu trainieren. Erstes Ziel war oft das Aufspüren von Ausreißern oder Clustern, um Störungen zu erkennen und möglichst früh zu prognostizieren (Predictive Maintenance). Aus einer Wissensdatenbank lassen sich dann ebenfalls per KI Lösungsvorschläge generieren (Prescriptive Maintenance).

ML und DL eröffnen aber noch viele weitere Einsatzfelder, vom Incident-Management inklusive Fehlerursachenanalyse über die (semi-)autonome Provisionierung bis zur Angriffsabwehr mittels EDR, NDR oder XDR (Endpoint/Network/Extensible Detection and Response). Chatbots wie ChatGPT und Bard könnten Aufgaben am Service-Desk übernehmen und letztlich die First-Level-Belegschaft ersetzen, so die – je nach Blickwinkel – Hoffnung oder Befürchtung.

Im Zusammenspiel mit OpenAIs Code-Generator Codex übernimmt ChatGPT auch das Schreiben von Code und Skripten, um IT-Abläufe zu automatisieren. Und da Bard – wie auch ChatGPT mit Plugins – Zugriff auf das Internet hat, können Entwicklungsteams sich zum Beispiel die Funktion von Codebausteinen auf GitHub erläutern lassen, um ihre Arbeit zu erleichtern. Abfragen von Wissensdatenbanken kann ein KI-Bot ebenso bewerkstelligen wie Status-Reports und deren Übersetzung in Fremdsprachen oder eine Management-gerecht einfache Sprache für IT-Fremde.

Und so malen manche Anbieter ein zauberhaftes Bild, in dem KI alle lästigen Aufgaben übernimmt und das IT-Team nur noch den Taktstock schwingen muss, damit das Server-Balett einen Pas de deux auf der Hybrid-Cloud-Bühne tanzt. Weil der IT-Alltag aber weder Ponyhof noch Disney-Film ist, stellen sich den erwartungsvollen IT-Dirigenten noch Hindernisse in den Weg. Und diese erweisen sich oft als ebenso hartnäckig wie Simbas machthungriger Onkel Scar oder Aladdins Widersacher, der finstere Großwesir Jafar.

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