Dass neue Technologien die Arbeit von Polizei oder Rettungsdienst erleichtern können, steht außer Frage. Welche Anforderungen dabei von Seiten der Organisationen gestellt werden und welche Rolle dabei den Partnern zukommt, erklärt Michael Fertig von Zebra im Interview.
connect professional: Herr Fertig, Sie sind seit mittlerweile über vier Jahren für Zebra Technologies und den Bereich Government & Public Safety tätig. Mit welchen Zielstellungen haben Sie damals die Stelle angetreten? Was hat sich seitdem getan?
Michael Fertig: Meine erste Aufgabe war es, unsere Marke in diesem Bereich zu stärken. Zunächst ging es vor allem darum, die Bedürfnisse sehr genau kennenzulernen. Wir sprechen mit Behörden und Sicherheitsorganen und fragen: Wo können wir helfen, wo sind eure Schwierigkeiten? Damit sind wir gut vorangekommen und während der Pandemie konnten wir dann schon mit unseren Produkten und Lösungen dazu beitragen, Impfzentren einzurichten.
Insgesamt ist der Bereich Government und Public Safety für uns wichtiger geworden. Und ich denke, wir haben uns als vertrauenswürdiger Partner von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben etabliert, wenn es darum geht, die digitale Transformation konkret werden zu lassen.
connect professional: Wie genau sieht Zebras Lösungsportfolio für den Bereich Government & Public Safety heute aus? Wen adressiert man mit welchen Lösungen?
Fertig: Wir bieten drei Hauptbereiche von Technologielösungen an, die ineinandergreifen und sich gegenseitig ergänzen.
connect professional: Wie ist Zebra vertrieblich aufgestellt? Und wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit Partnern für Zebra generell?
Fertig: Wir betreiben ein Zentrallager mit sehr hohen Kapazitäten in den Niederlanden und überführen von dort aus die Produkte in die Distributionen in Deutschland. Wir haben dazu eine Partnerlandschaft mit sehr vielen Partnern aufgebaut. Darunter sind Integratoren, die auf unterschiedliche Anwendungsfälle und Dienstleistungen spezialisiert sind, und Applikationspartner, die innovative digitaler Dienste und Applikation erstellen können. Dazu kommen dann noch wir als Hersteller mit den Produkten, Support und Service. Gemeinsam können wir die Kriterien für Ausschreibungen erfüllen und auf die Kunden zugeschnittene Gesamtlösungen anbieten.
connect professional: Welche Anforderungen sehen Sie kundenseitig? Und wie versuchen Sie, diesen zu nachzukommen?
Fertig: Bei unseren Kunden besteht eine hohe Nachfrage nach Services. In diesem Zusammenhang ist ihnen beispielsweise gute Erreichbarkeit wichtig, also auch regionale Nähe. Um diese Bedürfnisse zu erfüllen, haben wir Partnerschaften mit spezialisierten Unternehmen überall im Land aufgebaut. Daneben stehen die Ansprüche an die Produkte selbst.
Für Behörden und Sicherheitsorganisationen ist zum Beispiel Langlebigkeit und Sicherheit wichtig. Damit meine ich einerseits einen langen Lebenszyklus – wir entwickeln heute Produkte mit einem Lebenszyklus von sechs bis zehn Jahren. Andererseits muss es Sicherheits-Updates über einen langen Zeitraum geben. Auch Datensicherheit spielt eine zentrale Rolle, ebenso wie die Kompatibilität mit den verschiedensten Systemen. |
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Und es gibt spezielle Ansprüche an die Beschaffenheit der Geräte: beispielsweise, dass sie sehr robust sind, dass sie Stürze überstehen, bei Extremwetter funktionieren, mit Handschuhen bedient werden können und auswechselbare Akkus haben. Oder auch, dass sie sich leicht desinfizieren lassen. Für all diese Anforderungen und noch einige mehr entwickeln wir unsere Produkte.
connect professional: Welche Bedeutung hat das Thema 5G für Ihre Kunden? Welche Lösungsansätze kann Zebra Technologies hier – gegebenenfalls auch mit Partnern – bereits realisieren?
Fertig: 5G und generell die Modernisierung von Kommunikationsnetzen, wie zum Beispiel die BroadWay- und BroadNet-Projekte1 der Europäischen Union, ermöglichen eine deutlich schnellere und umfangreichere, zudem zuverlässige und sichere Kommunikation zwischen Einsatzkräften und Zentrale. Schleswig-Holstein setzt gerade ein Pilotprojekt mit privaten 5G-Zellen um. Damit wird beispielsweise die Übertragung von Videos vom Polizeihubschrauber in die Einsatzzentrale möglich.
Ein anderes Beispiel wäre eine Großveranstaltung mit Tausenden von Menschen: Hier können Polizei und Notdienste mithilfe eines privaten Stand-Alone-Netzes Daten und Kommunikation ihrer Einsatzkräfte empfangen und diesen wiederum Informationen übermitteln. Das funktioniert auch noch, wenn alle Gäste gleichzeitig mit ihren Smartphones in den öffentlichen Netzen unterwegs sind.
Oder nehmen wir den so genannten Telenotarzt: Wenn keine Notärztin verfügbar ist, kann der Rettungssanitäter Vitaldaten und Live-Videos auf den Bildschirm der Ärztin in der Leitstelle übermitteln und sie kann aus der Ferne ärztliche Entscheidungen treffen und dementsprechend autorisierte Anweisungen an das Rettungsteam vor Ort geben.
connect professional: Stichwort Digitalisierung des Rettungsdienstes: Dass mit scheinbar „geringen Änderungen“ ein hoher Nutzen erzielt werden kann, verdeutlicht ein RFID-Projekt einer Rettungsdienst-Kooperation im Norden Deutschlands. Bitte geben Sie uns einen näheren Einblick in das Projekt.
Fertig: Hier haben wir gemeinsam mit einem Partner in über 40 Wachen eine automatische Bestandsdatenerfassung für die Rettungswagen mittels einer mobilen RFID-Lösung (Radio frequency identification) eingeführt. Bisher mussten die Einsatzkräfte die Vollständigkeit der Ausstattung ihres Wagens zu Schichtbeginn mithilfe einer Checkliste manuell auf Papier überprüfen. Dafür war aber in der Praxis oft gar keine Zeit. Daher haben die Einsatzkräfte bei Schichtbeginn die Schubladen zum Beispiel mit Verbrauchsmaterialien vollgepackt. Um alles dabeizuhaben, was sie brauchen könnten. Was weiter unten mit welchen Haltbarkeitsdaten in den Schubladen lag, wusste kein Mensch.
Jetzt sind alle wichtigen Materialien und Geräte mit RFID-Tags ausgestattet und zu Beginn der Schicht muss sich nur ein Rettungssanitäter oder eine Rettungssanitäterin einmal mit einem RFID-Handscanner im Wagen drehen – schon ist klar, was da ist und was vielleicht noch fehlt. Diese Informationen lassen sich auch mit einem Warenwirtschaftssystem verknüpfen, sodass zum Beispiel Haltbarkeitsdaten und Wartungszeiträume transparent sind.
Die Technologie spart den Rettungskräften Zeit. Sie spart auch Geld, weil die Einsatzkräfte wissen, was alles in den Schubladen liegt.
connect professional: Welche Treiber und Hemmnisse sehen Sie für die Konzeptionierung von Lösungen in Ihrem Bereich?
Fertig: Bei den Sicherheitsorganen und Rettungsdiensten geht es um sensible Daten. Daher nehmen wir die Gefahr von Cyber-Angriffen sehr ernst und begegnen ihr mit mehreren Schutzebenen und kontinuierlichen Sicherheits-Updates.
Zu den Herausforderungen zählt auch, dass zwar der Bund meist über den Technologietyp entscheidet, aber die Bundesländer die Technologiemarke entscheiden und implementieren – und die Länder setzen unterschiedliche Prioritäten.
Positiv ist, wie manche Länder, wie zum Beispiel Schleswig-Holstein, vorangehen. Oder nehmen Sie das Innovation Lab, das die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen gegründet hat, um neue Technologien zu testen. Da sieht man auch in der Praxis, worauf es ankommt: Dass neue Technologien die Arbeit des Personals an der Front erleichtern und unterstützen – und nicht stören.
1 https://www.broadway-info.eu/broadnet-preparation/
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