Das deutsche Gesundheitswesen digitalisiert sich nur schleppend. Es braucht eine zentrale Patienten-ID, ein Infrastruktur-Umdenken und mehr als nur Einmal-Förderungen, ist Tobias Anger überzeugt. Er ist CTO bei Telepaxx, Anbieter der größten Cloud für diagnostische Medizindaten in Europa.
connect professional: Herr Anger, wie würden Sie Ihre Rolle als CTO von Telepaxx beschreiben?
Tobias Anger: Ich leite als Chief Technology Officer zum einen unsere Produktentwicklung, zum anderen auch unsere (Cloud-) Infrastruktur-Teams und unseren Kunden-Support. Diese Bereiche gehören für uns integral zusammen, da wir den Anspruch haben, unseren Kunden SaaS-Lösungen zu bieten, die auf Kundenseite mit möglichst wenig Aufwand genutzt werden können. Und dazu gehört für uns neben einem einfach zu bedienenden Produkt auch, dass die Infrastruktur größtenteils durch uns betrieben wird und wir bei Fragen und Problemen jederzeit schnell ansprechbar sind.
connect professional: Mit welchen Projekten beschäftigen Sie sich aktuell?
Anger: Mein Hauptaugenmerk liegt derzeit klar auf der Weiterentwicklung unserer Cloud-Lösungen sowie der Migration der Daten in die Cloud. Derzeit verwaltet Telepaxx schon über 25 Petabyte an Bilddaten. Diese gilt es sukzessive und gemeinsam mit unseren Kunden in die Cloud zu migrieren.
connect professional: Welche Technologien kommen bei Telepaxx in erster Linie zum Einsatz und warum?
Anger: Bisher haben wir für die Archivierung der medizinischen Bilder auf Magnetband-Technologie gesetzt, die eine energieeffiziente und kompakte Form der Speicherung erlaubt. Für eine digitale Medizintechnik müssen jedoch Daten – auch ältere Daten – viel unmittelbarer verfügbar und gleichzeitig einfacher verteilbar sein, als es die Bandtechnologie ermöglicht. Daher setzen wir für unser neues Produkt, die TMD Cloud, unter anderem auf die S3-Technologie von Amazon Web Services (AWS). Die technologische Reife und die einfachen Skalierungsmöglichkeiten waren ausschlaggebend für unsere Wahl. Um diese Technologie datenschutzkonform einsetzen zu können, werden alle Daten, die in der Cloud gespeichert werden, zuvor verschlüsselt. Die zugehörigen Schlüssel liegen sicher in einem separaten Key-Manager-Server.
connect professional: Welche Lösungen bietet Telepaxx konkret für welche Klientel?
Anger: Die Grundlage für all unsere Lösungen ist die sogenannte TMD Cloud – eine Cloud-basierte Technologieplattform, um medizinische Bilder und Befunde DSGVO-konform und revisionssicher in der Cloud zu speichern. Diese ermöglicht es Klinikketten, Krankenhäusern und radiologischen Praxen, Röntgenbilder und Computertomographie-Aufnahmen einfach zu teilen – sowohl mit den Patienten als auch mit weiterbehandelnden Ärztinnen und Ärzten.
„Im europäischen und internationalen Vergleich stehen wir in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens vergleichsweise schlecht da. [...] Dennoch gibt es Bereiche des Gesundheitswesens, die schon stark digitalisiert sind, wie beispielsweise der Bereich der Radiologie.“ |
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connect professional: Wie weit ist die Digitalisierung des Gesundheitswesens Ihrer Meinung nach vorangeschritten? Inwieweit wird ihr Potenzial nach jetzigem Stand ausgeschöpft?
Anger: Im europäischen und internationalen Vergleich stehen wir in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens vergleichsweise schlecht da. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen, weil wir keine digitale Gesundheitsidentität haben, zum anderen weil unsere Auslegung von Datenschutz oftmals anders ist, als in Nachbarländern. Dennoch gibt es Bereiche des Gesundheitswesens, die schon stark digitalisiert sind, wie beispielsweise der Bereich der Radiologie: Hier spielen Technologien und Innovationen schon immer eine zentrale Rolle und es gilt, riesige Datenmengen zu managen. Entsprechend finden hier viele Prozesse bereits komplett digital statt – auch dank vorhandener weltweit gültiger Standards wie zum Beispiel des Bilddatenformats DICOM.
connect professional: Worin sehen Sie in diesem Zusammenhang die derzeit größten Herausforderungen in der Healthcare-Branche?
Anger: Wir brauchen eine zentrale Patienten-ID wie sie beispielsweise in Dänemark schon seit über zehn Jahren etabliert ist. Das würde Kosten sparen und das medizinische Personal entlasten, da Mehrfachaufnahmen oder -untersuchungen so vermieden werden könnten. Jeder Mediziner könnte dann auf die historischen Gesundheitsdaten eines Patienten zugreifen und eine Behandlungsempfehlung auf Basis einer vollständigen Datenlage erstellen. Gleichzeitig braucht es aus meiner Sicht ein Umdenken bei den IT-Infrastrukturen: Gerade Krankenhäuser betreiben heute noch mit viel Aufwand eigene Rechenzentren. Das kostet nicht nur Geld, sondern braucht auch Personal mit entsprechendem Know-how. Wie alle anderen Branchen auch, fehlt es aber auch im Gesundheitswesen an IT-Personal. Die Last für den Einzelnen wird immer größer – da wäre es sinnvoll, Server an Spezialisten auszulagern, um das Personal zu entlasten. Gleichzeitig ermöglichen Cloud-Technologien den Einsatz von Best-in-Class-Software über SaaS-Modelle.
connnect professional: Wie schätzen Sie die derzeitigen Bestrebungen der Bundesregierung ein, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben?
Anger: Wir begrüßen diese Initiativen, weil Sie zum einen die Bedeutung der Digitalisierung des Gesundheitswesens unterstreichen und zum anderen auch klare Spielregeln definieren, wie im Falle des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes. Die Förderung modernerer IT-Infrastrukturen, wie es das Krankenhauszukunftsgesetz vorsieht, ist richtig und wichtig angesichts der angespannten Finanzlage der Krankenhäuser. Allerdings löst sich dadurch das Problem der überlasteten IT nicht – im Gegenteil, es kommt noch Arbeit on top. Daher fänden wir Initiativen, die nicht nur Einmal-Investitionen fördern, ergänzend gut – denn moderne IT-Infrastruktur basiert oft auf monatlich wiederkehrenden Kosten. Werden einmalig Kosten für die Anschaffung von Hardware bezahlt, ist das nur ein Teil der Lösung.
connect professional: Zum besseren Verständnis: Womit genau beschäftigt sich das Gesundheitsdatennutzungsgesetz? Inwiefern tangiert es eine Telepaxx?
Anger: Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz – kurz GDNG – soll den Zugang und die Verknüpfung von Gesundheitsdaten für die Forschung regeln. Ziel ist es, Deutschland als Forschungsstandort für die Medizinbranche wieder nach vorne zu bringen, da derzeit viele Firmen mittlerweile lieber im Ausland forschen anstatt in Deutschland. Mit dem geplanten Gesetz wird geregelt, wer Gesundheitsdaten in Deutschland für welche Forschungszwecke nutzen darf und eine zentrale Stelle geschaffen, die den Zugang zu diesen Gesundheitsdaten regelt. Zudem ist eine sogenannte „Opt-Out“-Lösung für gesetzlich Krankenversicherte geplant. Sprich: Wenn ich als gesetzlich Krankenversicherter nicht möchte, dass meine anonymisierten oder pseudonymisierten Gesundheitsdaten für Forschungszwecke genutzt werden, muss ich der Nutzung explizit über die ePA (Anm.d.Red.: elektronische Patientenakte) widersprechen. Bisher war das als „Opt-In“-Lösung angelegt. Uns als Telepaxx betrifft es insofern, als wir im Auftrag von Krankenhäusern und radiologischen Praxen medizinische Daten verarbeiten, also speichern beziehungsweise archivieren. Mit dem neuen Gesetz erhalten unsere Kunden nun Klarheit, wie sie diese bei uns gespeicherten Daten nutzen dürfen. So können wir auf Wunsch eines Krankenhauses beispielsweise seine bei uns gespeicherten CT-Aufnahmen nach einem vorgegebenen Befund durchsuchen und das Datenset für ein Forschungsprojekt zur Verfügung stellen. Wichtig dabei: Nicht wir entscheiden über die Datennutzung, sondern die Klinik.
connect professional: Inwiefern profitiert eine Telepaxx von diesen gesetzlichen Entwicklungen?
Anger: Ein Teil unserer Lösungen fällt unter die Förderregelungen des KHZG (Anm.d.Red.: Krankenhauszukunftsgesetz) – daher profitieren natürlich auch wir von den gesetzlichen Initiativen. Aus unserer Sicht wird jedoch an vielen Stellen für alle Beteiligten im Gesundheitswesen zusätzliche Arbeit erzeugt, beispielsweise durch fehlende Standards oder Länder-Datenschutzgesetze. Hier wären einheitliche und verbindliche Regelungen auf nationaler Ebene wünschenswert.
connect professional: Welche Rolle spielt die DSGVO für Ihre Arbeit?
Anger: Die DSGVO beziehungsweise der Datenschutz an sich sind integraler Bestandteil unserer Technologie. Wir setzen auf mehrstufige Verschlüsselungsverfahren und speichern verschlüsselte Daten in der Cloud. Die Entschlüsselung der Daten kann nur mit einem entsprechenden Schlüssel erfolgen, der bei unseren Kunden liegt oder komplett von den Daten separierten Servern. Ergänzend zur DSGVO gibt es jedoch noch landesspezifische Datenschutz- sowie Krankenhausgesetze. Diese stehen teilweise im Konflikt mit der DSGVO, was viele Kunden verunsichert. Allerdings sehen wir auch hier Veränderungen. Zuletzt hat beispielsweise Bayern sein Krankenhausgesetz angepasst und erlaubt damit nun ausdrücklich auch eine Verarbeitung von Patientendaten außerhalb des Krankenhausgeländes.
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