All-IP

Nicht immer besser – aber zukunftssicher

20. November 2017, 10:51 Uhr | Axel Pomper
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IP ist im Vergleich zu ISDN nicht zwangsläufig die qualitativ hochwertigere Wahl, geht mit vielen Vor- aber auch Nachteilen einher. Nichtsdestotrotz ist der Verbindungsstandard der Weg in die Zukunft und die Grundlage eines vernetzten Arbeitsplatzes, der modernen Anforderungen gerecht wird.

2018 kommt mit großen Schritten näher. Bis Ende des kommenden Jahres will die Deutsche Telekom alle Anschlüsse ihrer Kunden auf IP migrieren, ISDN damit zu den Akten legen. Noch hat der Netzbetreiber aber einen langen Weg zu gehen. Aktuelle Zahlen zur Migration veröffentlichten die Bonner zuletzt Mitte des Jahres, Bintec Elmeg-CEO Alexander Lopez berichtet im funkschau-Interview aber davon, dass die Marke von rund 50 Prozent überschritten sei – wobei viele Unternehmen mit komplexer Infrastruktur und damit die schwierigsten Fälle noch ausstehen sollen. Ob 2018 also weiterhin die unverrückbare Ziellinie für das Gros der Telekom-Kunden bleibt, wird sich erst kommendes Jahr zeigen. Zumindest T-Systems-Geschäftsführer Patrick Molck-Ude hatte vor einigen Monaten gegenüber funkschau erklärt, dass „Großkunden etwas mehr Zeit brauchen“ und dass man eher pragmatisch als dogmatisch vorgehen wolle.

Einen aufschlussreichen Einblick in den Fortschritt der deutschlandweiten IP-Umstellung ermöglicht auch eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des Netzwerkausrüsters Lancom. Demnach gaben 63 Prozent der knapp 500 befragten Unternehmensvertreter an, dass sie bereits auf die neuen Anschlüsse migriert sind. Interessant ist auch das Fazit der Befragten im Anschluss an die Umstellung. Demnach ging die Migration bei 48 Prozent völlig reibungslos vonstatten, 43 Prozent waren mit dem Prozess trotz kleinerer Probleme immer noch zufrieden.  

Knapp 20 Jahre im Einsatz

Bei zahlreichen Unternehmen ist die IP-Umstellung aber nicht gleichbedeutend mit der Einführung einer All-IP-Infrastruktur. Demnach setzen mehr als die Hälfte der Befragten (59 Prozent) der Lancom-Studie auf einen Mittelweg und schalten ein Gateway zwischen ISDN-TK-Anlage und IP-Anschluss. Auch ein großer Teil der Unternehmen, die den Umstieg noch vor sich haben, soll ähnlich planen. Rund 50 Prozent wollen diese Überbrückungsvariante wählen und ihre Investitionen  vorerst schützen. „Bei Kommunikationslösungen ist es nicht selten so, dass Investitionen herausgeschoben werden“, erklärt Lars Brückner, Leiter strategisches Projektgeschäft und Produktmanagement bei Agfeo. „Selbst dann, wenn Geräte an sich bereits steuerlich abgeschrieben sind.“ Nicht wenige der TK-Systeme des Bielefelder Herstellers sollen schon seit knapp 20 Jahren beim Kunden im Einsatz sein. „Da hat der Anwender das Thema TK-Anlage bereits fast vergessen.“

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Jan Böttcher
Jan Böttcher, Country Manager DACH bei Xelion:"Wir als Industrie sollten alles daransetzen, um eine ausreichende Versorgung für die Zukunft sicherzustellen, damit Deutschland nicht den Anschluss verliert.“
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Aber nicht nur aus Treue und Langlebigkeit halten wiele Unternehmen an ISDN-Technologie fest. Es gebe im deutschen Markt weiterhin eine gewisse „Scheu“ vor der Umstellung auf IP, wie Alexander Lopez erklärt (das gesamte Interview lesen Sie ab Seite 28). Gerade die Migration von Sonderdiensten wie beispielsweise E-Cash-Terminals oder befürchtete Störungen sollen entscheidende Gründe sein, den Wechsel noch hinauszuzögern. „Nicht selten sind Umschaltprozesse von ISDN auf IP mit Problemen behaftet und liebgewonnene Leistungsmerkmale, wie beispielsweise ISDN-Anrufweiterschaltung und die Faxproblematik, werden vom SIP-Provider nicht mehr in gewohnter Weise für den Anwender geboten“, so Brückner. Auch Jan Böttcher, Country Manager DACH des Cloud-Telefonie-Anbieters Xelion, trifft aktuell noch eine nüchterne Einschätzung: „Neue Technologien finden anfangs eher langsam ihren Weg in die Unternehmen.“ Die jetzt noch vorhandenen Vorbehalte sollen sich aber mit jedem weiteren Tag reduzieren.

Rund um die IP-Umstellung existieren viele Schreckensszenarien, erklärt Lancom-CEO Ralf Koenzen. Zu Unrecht, sagt er, denn es gebe einfache und günstige Möglichkeiten für einen Umstieg von ISDN auf IP. Die neue Technologie soll aber nicht zwangsläufig alles besser machen. „Es ist nicht alles Gold was glänzt“, so Brückner. „Natürlich erfreuen sich IT-Fachhändler an den neuen Vermarktungschancen. Und  auch viele neue Wettbewerber glauben, hier die bessere Lösung anbieten zu können. Als klassischer TK-Anbieter mit jahrzehntelanger Erfahrung bewerten wir die Umstellung nüchterner.“ Nicht alles werde besser und nicht vieles wäre früher schlechter gewesen, so der Agfeo-Manager. Noch immer sei die Gesprächsqualität auf einem anderen Niveau und CTI sowie UC-Möglichkeiten hätte Agfeo den eigenen Kunden schon 1995 angeboten.

Die Zurückhaltung vieler Unternehmen scheint also verständlich, immerhin geht die Migration mit teils enormen Investitionen und hohem Aufwand einher, wartet mit einer herausfordernden Komplexität auf, bei einem nicht immer offensichtlichen Gegenwert, wie Brückner sagt: „Vielfach ist der Glaube vertreten, dass ein neues TK-System keinen wesentlichen Vorteil liefert, da man doch nur telefonieren möchte.“ Darüber hinaus würden die meist hohe Kosten- und die meist niedrige Nutzungserwartung einer Kaufentscheidung für ein All-IP-System entgegenstehen.

Alexander Lopez betont jedoch: „Trotz der vielen Hemmnisse im Markt ist für Unternehmen wichtig: Nicht alles wird mit IP schlechter.“ Diese Einschätzung unterstreichen die durchaus positiven Berichte der Lancom-Befragten. Demnach erwarten sich 73 Prozent der Umfrageteilnehmer konkrete Vorteile von der Umstellung, beispielsweise eine hohe Flexibilität oder eine moderne TK-Infrastruktur. Und auch Brückner sieht beispielsweise einen entscheidenden Gewinn durch die IP-Umstellung in der Standortunabhängigkeit. „Home-Office-Anbindung? Filial-Struktur? One-Number-Konzepte? Ohne VoIP undenkbar. Und ohne VoIP hätten wir nicht die Marktbreite auf Seiten der Provider mit entsprechendem Wettbewerb und Kostenvorteilen.“


  1. Nicht immer besser – aber zukunftssicher
  2. Unliebsame Notwendigkeit
  3. Interview mit Agfeo
  4. Expertenkommentar: Ein gemeinsames Netzwerk

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