Dem Markt für Cloud-Telefonie wird ein riesiges Potenzial zugesprochen – gewachsen ist er in den vergangenen Jahren aber nur langsam. Verschiedene Faktoren sollen den Absatz aber zukünftig beflügeln.
Bei wenigen Themen ist sich die IT-Welt so einig wie beim Stellenwert der Cloud. Zahlreiche Analysten und Anbieter betonen seit Jahren, dass die Bedeutung von über das Internet bereitgestellten Diensten eigentlich nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Entsprechend positiv fallen Prognosen für die Entwicklung des Cloud-Marktes aus. So rechnen beispielsweise die Analysten von Gartner mit einer knappen Verdopplung des weltweiten Umsatzvolumens von rund 220 auf 411 Milliarden US-Dollar zwischen 2016 und 2020. Die größten Anteile sollen dabei auf Software as a Service sowie auf in die Cloud ausgelagerte Geschäftsprozesse entfallen.
Je moderner die Infrastruktur eines Unternehmens, umso wichtiger werden Cloud-Dienste. Je stärker ein Unternehmen auf die Cloud setzt, umso moderner sei die Infrastruktur, lässt sich die Einschätzung vieler Experten zusammenfassen. So erklärte Andreas Wilker, Mitglied der Geschäftsleitung bei Bechtle, kürzlich im funkschau Interview, dass eine zukunftsgerichtete Digital Workplace-Strategie ohne den Einsatz von Cloud-Lösungen nur schwer realisierbar sei. „Wenn ein Unternehmen die Cloud kategorisch ausschließt, dann muss es letztendlich immer mit Behelfslösungen arbeiten“, so Wilker. Die Cloud sei daher die absolute Basis.
Markt wächst nur langsam
Für die Gesamtheit der Business-IT scheint die Bedeutung der Cloud in Stein gemeißelt – bei der Telekommunikation zeichnet sich hingegen noch ein gänzlich anderes Bild ab. Zwar betonen auch in diesem Bereich allem voran die Anbieter entsprechender Lösungen deren Potenzial für Unternehmen und haben noch vor wenigen Jahren von in Kürze zu erwartenden Marktanteilen von 20 und mehr Prozent in Deutschland gesprochen. Aktuell ist es jedoch auffallend still geworden, die Prognosen weniger verheißungsvoll. Ein Grund dafür findet sich im internationalen Vergleich. Während Cloud-Telefonie in europäischen Ländern wie den Niederlanden oder UK bereits einen Marktanteil im zweistelligen Bereich vorweisen kann, lag dieser in Deutschland laut den Analysten der Cavell Group Mitte 2017 bei rund drei Prozent – und damit nur geringfügig höher als in den Jahren zuvor.
Stagniert der Markt für Cloud-Telefonie also, bevor er richtig in Fahrt gekommen ist? Im Gegenteil. Welches Potenzial in IP-Centrex- und Hosted-PBX-Lösungen steckt, zeigen eben nicht zuletzt Nachbarn wie die Niederlande oder auch Cloud-Vorreiterländer wie die USA, wo sich entsprechende Produkte bereits etablieren konnten und der Markt teils deutlich weiter entwickelt ist. Ein Teil dieser Euphorie schwappte bereits nach Deutschland. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Cloud-Telefonie-Anbieter hierzulande rasend schnell gestiegen. Zu den ursprünglich heimischen Unternehmen wie Nfon, QSC und Teamfon haben sich unter anderem internationale Unternehmen wie Xelion aus den Niederlanden, Mango Office aus Russland sowie Peoplefone aus der Schweiz gesellt. Aber auch die Zahl der hiesigen Anbieter ist nochmals deutlich gewachsen. So haben mittlerweile Provider wie Easybell und M-Net eigene Cloud-Telefonie-Produkte in ihr Portfolio aufgenommen, hinzu kommen Start-ups und junge Unternehmen wie Sipgate, Wirecloud, Reventix und die QSC-Tochter Fonial. Darüber hinaus vermarktet die Telekom als größter Netzbetreiber Drittanbieterlösungen von beispielsweise Nfon unter der eigenen Marke DeutschlandLAN.
Die Auswahl ist in Deutschland gewaltig, der Markt hingegen noch vergleichsweise klein. Für den relativ langsamen Fortschritt gibt es zahlreiche Gründe, der gewichtigste dürfte aber die vorhandene Netzinfrastruktur sein. Während Unternehmen in anderen Ländern schon seit vielen Jahren erfolgreich über VoIP kommunizieren, kam IP hierzulande erst in den letzten Jahren durch die ISDN-Abschaltung der Deutschen Telekom so richtig in Fahrt. Zuvor galt die Technologie aufgrund einiger technischer Schwächen und der teils geringen verfügbaren Bandbreite nur als unzulängliche Alternative zu ISDN, was die Hürden für die Vermarktung entsprechender Lösungen im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts noch hoch ansetzte, den Vertrieb von Cloud-Telefonanlagen jedoch zur regelrechten Herausforderung gestaltet haben dürfte.
„Netzabdeckung noch nicht zufriedenstellend“
Eine in vielen Regionen schlechte Internetanbindung ist nach wie vor ein gewichtiger Grund für die nur langsam wachsenden Anteile der Cloud-Telefonie. „Die Netzabdeckung auf dem Land ist derzeit noch nicht zufriedenstellend“, erklärt Simon Eckmiller, Presales Engineer bei Snom und Experte für den deutschen Telekommunikationsmarkt. „Hier können betroffene Gemeinden nur auf die Umsetzung der Versprechen der Bundesregierung hoffen.“ Kürzlich zweifelte der EU-Rechnungshof jedoch in einem öffentlichen Bericht daran, dass die Bundesrepublik die europäischen Breitbandziele, die flächendeckende Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde bis 2025 vorsehen, umsetzen könne. Einen Schuldigen benannten die Rechnungsprüfer ebenfalls: die Vectoring-Technologie, die dem deutschen Kupfernetz als Übergangslösung vor dem Glasfaser-Ausbau neues Leben einhauchen soll. „Vectoring mag zwar ausreichen, um die Ziele der Strategie Europa 2020 zu erreichen, die Zielsetzungen der Gigabit-Gesellschaft für 2025, mit den geforderten Geschwindigkeiten von einem Gigabit pro Sekunde, werden mit dieser Technologie wahrscheinlich nicht zu verwirklichen sein“, heißt es in dem Bericht der EU-Behörde.
Ein ernüchterndes Fazit, das der Rechnungshof bezüglich der deutschen Netzkapazitäten zieht. Dabei ist eine hohe Breitbandversorgung unerlässlich, wenn es um den zunehmenden Einsatz von Cloud-Diensten geht. Nicht zuletzt, um auch Zweifler von einem reibungslosen Einsatz der Lösungen zu überzeugen. Denn laut einer zu Beginn des Jahres veröffentlichten Studie von Forcont und der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin sorgen sich 88 Prozent der befragten Unternehmen nach wie vor um die Datensicherheit von Cloud Computing, 55 Prozent befürchten eine schwierige Integration und rund ein Drittel der Befragten fürchtet Performance-Schwankungen. Und diese werden maßgeblich von der Netzkapazität und -zuverlässigkeit beeinflusst, was besonders bei Cloud-Telefonie schwer ins Gewicht fällt. Treten Störungen oder Schwankungen auf, verzögert sich der Transfer von Daten aus einem Cloud-Speicher lediglich. Nutzer einer IP-Centrex-Lösung sehen sich hingegen schnell mit Rauschen in der Leitung oder Paketverlust und damit verschluckten Sprachfetzen konfrontiert. Aufgrund dieser Sensibilität für Störungen gilt die Telefonie nicht immer als erste Wahl, wenn es um die Frage geht, welche Anwendungen sich in die Cloud auslagern lassen. „Zuerst sollten Unternehmen hoch standardisierte Produkte wie CRM oder Mail-Dienste aus der Cloud beziehen, um erste Erfahrungen zu sammeln“, erklärte Martin Claßen, CTO bei Swyx, im funkschau Interview. „Bei der Telefonie sind die Ansprüche oft deutlich höher – beispielsweise bei der Breitbandverbindung. Gibt es hier Probleme, merken die Nutzer das bei E-Mail-Diensten nicht, bei der Telefonie hingegen sofort.“ Daher sollten Unternehmen am besten mit einem Dienst starten, der einen geringen Bandbreitenbedarf hat, so der Swyx-CTO.