Wie entsteht ein Chatbot? Im Prinzip gibt es drei Entwicklungsbereiche, die eng miteinander verzahnt sind: Frontend-Entwicklung, Funktionalität und Backend-Integration. Beim Frontend steht der Gesprächsfluss im Vordergrund. Dieser soll zielgerichtet gestaltet werden – zum Beispiel im Hinblick auf einen Verkaufsabschluss oder die Lösung eines Problems, mit dem sich der Nutzer an den Chatbot wendet. Üblicherweise sind solche Gesprächsflüsse dennoch nicht linear gestaltet, sondern voller Abzweigungen, die zu vielen möglichen Ergebnissen führen. Durch nachträgliche, manuelle Optimierung oder durch den Einsatz selbstlernender Algorithmen kann der Gesprächsfluss eines Chatbots sukzessive verbessert werden. Zum Beispiel ist es denkbar, bestimmte Teile einer Konversation zu überspringen, wenn der Nutzer in seinen Aussagen ein entsprechendes Vorwissen offenbart.
Der Fokus auf den Gesprächsfluss suggeriert, dass ein Chatbot auf alles eine Antwort parat haben muss – damit das Gespräch nie in eine Sackgasse läuft. Tatsächlich aber sind die meisten Chatbots hochspezialisiert. Sie sollen ein festgelegtes Spektrum an Aufgaben erfüllen und den Nutzer ausschließlich in vordefinierten Bereichen unterstützen. Diese Funktionalität zu definieren, ist die zweite große Herausforderung bei der Entwicklung von Chatbots. Je mehr ein Bot können soll und je komplexer seine Aufgaben sind, auf desto mehr Geschäftsprozesse und Daten benötigt er Zugriff. Dieser wird im Rahmen der Backend-Integration über entsprechende APIs hergestellt. Bei Geschäftsprozessen steht dabei die Frage im Mittelpunkt, wie viel Autonomie den Algorithmen eingeräumt werden soll. Welche Entscheidungen darf ein Chatbot selbst treffen – etwa im Rahmen einer Kreditvergabe oder Kontoeröffnung? Wo wird es notwendig, dass ein Mensch eingreift?
Die Verarbeitung von Daten gestaltet sich etwas komplexer. Hier stellt sich nicht nur die Frage, welche vorhandenen Daten herangezogen werden können, um die Chatbot-Nutzung zu personalisieren, sondern auch welche Teile der Nutzereingaben der Chatbot auswerten und speichern darf. Idealerweise folgt er dabei der Maßgabe, die Menge der erhobenen Daten zu minimieren und den Input nicht unterschiedslos zu speichern. In der Datenbank landen soll nur das, was auch tatsächlich benötigt wird. So wächst das Vertrauen seitens der Kunden und der Betreiber des Chatbots gerät nicht in die unangenehme Situation, für den Schutz von Daten sorgen zu müssen, die ein Nutzer vielleicht nur versehentlich mit ihm geteilt hat. Nach vorheriger Zustimmung ist es jedoch möglich, Teile der Konversation zu protokollieren und für Analysezwecke anonymisiert aufzubereiten.
Kundenberater aus Bits und Bytes
Chatbots treten ihren Siegeszug gerade erst an. Ihr Prinzip ist beinahe so alt wie das Internet selbst – dank selbstlernender Algorithmen und Datenauswertung funktionieren sie aber mittlerweile so gut, dass sie in immer mehr Branchen Fuß fassen. Unternehmen haben die Personalisierungs- und Effizienzvorteile erkannt und suchen nach entsprechenden Lösungen und Technologie-Partnern. Die Entwicklung scheint unumkehrbar: Die neue Generation von Kundenberatern besteht nicht mehr aus Fleisch und Blut, sondern aus Bits und Bytes.
Ralf Reich ist Head of Continental Europe bei Mindtree